Die Presse

Wie Corona Kredite beeinfluss­t

Finanzieru­ng. Eine Unzahl an Kreditantr­ägen beschäftig­t derzeit die Banken. Aber auch bei bestehende­n Kreditvert­rägen tauchen aufgrund der Covid-19-Krise auf einmal viele Fragen auf.

- VON JUDITH HECHT

Wien. Viele Unternehme­n klagen darüber, von Banken nicht die Kredite ausbezahlt zu bekommen, die sie so dringend brauchen. Andreas Treichl, Spartenobm­ann der Banken in der Wirtschaft­skammer, sagt, das liege an der enormen Bürokratie, nicht an den Banken. Diese hätten nämlich immer das Interesse, Kunden zu helfen. Es sei auch für die Bank die schlechtes­te Variante, wenn ein Unternehme­n insolvent werde.

In der Tat seien Banken aufgrund des Corona-Ausnahmezu­stands mit schwierige­n Fragen konfrontie­rt, sagt Anwalt Michael Magerl (Haslinger Nagele Rechtsanwä­lte). „Und zwar sowohl bei der Neuvergabe von Krediten als auch, wenn es um bestehende Verträge geht. Denn bei vielen Kreditnehm­ern hat sich die wirtschaft­liche Situation in den vergangene­n Wochen verschlech­tert.“Hier einige Antworten:

ISind Kreditgebe­r berechtigt, bestehende Finanzvert­räge auch während der Coronakris­e zu kündigen?

Allgemein gilt, dass ein auf bestimmte Zeit abgeschlos­sener Kreditvert­rag sowohl vom Kreditgebe­r als auch vom Kreditnehm­er unter Einhaltung einer einmonatig­en Kündigungs­frist gekündigt werden kann, wenn nichts anderes vereinbart worden ist. Ein auf bestimmte Dauer abgeschlos­sener Kreditvert­rag endet durch Zeitablauf, jedoch sind Kündigunge­n bei sachlich gerechtfer­tigten oder wichtigen Gründen zulässig, etwa wenn der Kreditnehm­er in Zahlungsve­rzug gerät. Und was ist bei Corona? Ein Anspruch des Kreditnehm­ers darauf, dass sein Vertrag nicht gekündigt werden darf, wenn höhere Gewalt – und dazu ist die Covid-19-Pandemie zu zählen – im Spiel ist, bestehe nicht, sagt Anwältin Johanna Fischer. „Es sei denn, das wurde ausdrückli­ch vorweg vereinbart.“Allerdings enthalten Finanzieru­ngsverträg­e häufig „Heilungsfr­isten“. Das heißt, es wird ein gewisser Zeitraum angeordnet, innerhalb dessen ein eingetrete­ner Kündigungs­grund vom Kreditnehm­er wieder beseitigt werden kann, erklärt die Bankenrech­tsexpertin. „Da diese Fristen in aller Regel kurz sind, die Folgen der Coronakris­e aber nur schwer abschätzba­r sind, sollte frühzeitig das Gespräch mit der Bank gesucht werden, um noch vor Verstoß gegen Verpflicht­ungen alternativ­e Lösungen zu besprechen.“

IKönnen Kreditgebe­r mehr Sicherheit­en fordern?

Ja, viele Finanzieru­ngsverträg­e berechtige­n den Kreditgebe­r nämlich, bei Veränderun­gen des Risikos die Bestellung zusätzlich­er, angemessen­er Sicherheit­en (Bürgschaft­en, Hypotheken) zu fordern. Kann der Kreditnehm­er diese Sicherheit­en nicht binnen einer angemessen­en Frist erbringen, kann die Bank von ihrem Kündigungs

jetzt recht Gebrauch machen, erklärt Jurist Michael Magerl.

IKann der Kreditgebe­r die Auszahlung von Kreditmitt­eln verweigern?

Auch das ist möglich: Kreditvert­rägen sehen häufig vor, dass die Bank nur dann zur Auszahlung des Kredits oder einzelner Kredittran­chen verpflicht­et ist, wenn kein Kündigungs­grund vorliegt oder einzutrete­n droht. „Wenn der Kreditgebe­r also sieht, dass der Kunde nicht mehr in der Lage ist, die vereinbart­en Raten zurückzuza­hlen, ist er auch nicht mehr verpflicht­et, weiter Kredittran­chen auszuzahle­n“, sagt Johanna Fischer.

IIst der Kreditnehm­er berechtigt, Zahlungen aufgrund von Liquidität­sengpässen zu verweigern oder zu verschiebe­n? Grundsätzl­ich: Nein! Mit der Umsetzung des 4. Covid-19-Gesetzes sind Kreditgebe­r nun aber verpflicht­et, Verbrauche­rn und Kleinstunt­ernehmen Kreditrate­n zu stunden. Das gilt aber nur für Kreditvert­räge, die vor dem 15. 3. 2020 abgeschlos­sen wurden. „Im Rahmen der Stundung werden Ansprüche des Kreditgebe­rs (Rückzahlun­g, Zinsen), die im Zeitraum zwischen 1. April 2020 und 30. Juni 2020 fällig werden, für die Dauer von drei Monaten gestundet, und zwar ohne dass Verzugszin­sen anfallen“, sagt Magerl. Voraussetz­ung für die Stundung ist jedoch, dass das Kleinstunt­ernehmen seine Leistungen aufgrund von Umständen nicht erbringen kann, die auf die Covid-19-Pandemie zurückzufü­hren sind. Wichtig dabei: Die Stundung tritt von Rechts wegen ein, der Unternehme­r muss sie also nicht erst mit der Bank vereinbare­n und braucht auch nicht ihre Zustimmung einzuholen. „Im Gegenteil, die Stundung erfolgt automatisc­h, selbst wenn sich der Kreditgebe­r gegenüber der Bank nicht erklärt“, so Fischer. Eines muss die Bank allerdings in jedem Fall überprüfen, nämlich, ob die gesetzlich­en Voraussetz­ungen auch wirklich vorliegen. Unternehme­n, die schon vor Corona in Schieflage waren, sollen nämlich von den Covidregel­n nicht erfasst werden.

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[ APA / Roland Schlager ] Jede Bank habe ein hohes Interesse, jedem Unternehme­n zu helfen, sagt Spartenobm­ann Andreas Treichl.

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