„Tod in Venedig“und eine fliegende Flöte
Volksoper 2020/21. Direktor Robert Meyer plant zehn Premieren. „Das ist sehr viel für unser Haus“, erklärt er im Gespräch mit der „Presse“. Masken sei er aus Japan gewohnt, doch zu wenig Publikum im Saal könnte die Stimmung drücken.
Ein Lichtblick!“Volksoperndirektor Robert Meyer zeigt sich nach den jüngsten Verlautbarungen zur Kulturbranche sichtlich erleichtert, hat er doch für die Saison 2020/21 ein reiches Programm mit zehn Premieren geplant, die er heute, Mittwoch, am Abend auf ORF III präsentiert. „Wir sind fest entschlossen, unsere Pläne umzusetzen, und arbeiten intensiv darauf hin“, sagt Meyer vorab im Interview mit der „Presse“: „Wir werden sehen, was im September möglich ist.“Bei Einhaltung der aktuellen Vorschriften wären in der Volksoper rund 600 Zuschauer zugelassen: „Das klingt vielleicht nicht so schlecht, aber wir haben eigentlich mehr als 1300 Plätze. Das wären also circa 46 Prozent Auslastung.“Diese Einnahmenverluste könnte man nicht allein tragen. Dazu käme die fehlende Stimmung: „Wenn so wenige Leute im Saal sind, spürt man das atmosphärisch auf der Bühne.“
Ein Publikum mit Masken wäre für ihn dabei kein ganz fremdes Bild: „Wir haben oft in Japan gastiert, dort ist man Menschen mit Masken im Zuschauerraum gewöhnt. Vielleicht wird das dann auch bei uns völlig normal sein“, so Meyer. Er hoffe jedenfalls „sehr, dass die Leute im Herbst keine Panik mehr haben“. Im ersten Schritt gehe es jetzt einmal darum, „zunächst mit gewisser Vorsicht und so weit als möglich unter Einhaltung der Abstandsregel ab Juni zu proben“.
Zweimal Musical, dreimal Ballett
Dann wäre die erste Premiere am 13. September, das Musical „Sweet Charity“, haltbar. Eine zweite Musicalpremiere ist für 13. März avisiert: Stephen Sondheims „Into the Woods“sei zwar keines der klassischen Broadway-Musicals der 1940er- und 1950erJahre, wie sie an der Volksoper hauptsächlich gezeigt werden, „aber Stephen Sondheim ist ein Gigant und hat eine ganz eigene Position im Musicalbereich. Die Musik ist großartig, und die Story ist sehr geschickt verwoben und bietet tolle Rollen für unsere Künstler.“Martin Schläpfer, der neue Leiter des Wiener Staatsballetts, bringt mit „Hollands Meister“, „Promethean Fire“und „Ein deutsches Requiem“drei seiner sechs Premieren an der Volksoper heraus. Für Meyer klingt dies vielversprechend, kann er doch „mit modernem Ballett mehr anfangen als mit klassischem“.
„Teufel auf Erden“: Meyer als Knecht
Aus dem Genre Operette kommt 2020/21 Franz von Suppes´ „Der Teufel auf Erden“, ein unterschätztes, weil handlungsmäßig im Original etwas sprödes Werk. Regisseur Hinrich Horstkotte habe gemeinsam mit Alexander Kuchinka „eine Fassung erarbeitet, die sehr witzig ist“, sagt Meyer. Er selbst spielt darin einen Höllenknecht, der seinen Vorgesetzten unter den Irdischen sucht.
Einer neuen Operettenproduktion stehen gleich vier Opernpremieren gegenüber, darunter Detlev Glanerts „Leyla und Medjnun“– eine Art persische „Romeo und Julia“Version, die im Kasino am Schwarzenbergplatz zur österreichischen Erstaufführung gebracht wird – sowie die konzertante Fassung von „Die Macht des Schicksals“, die einst Franz Werfel für die Volksoper ins Deutsche übertragen hat.
Als Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden kommt Benjamin Brittens „Tod in Venedig“nach der Novelle von Thomas Mann in der Inszenierung von David McVicar. „Zehn Premieren in einer Saison sind sehr viel für unser Haus“, sagt Meyer, „Koproduktionen helfen dabei, dies zu ermöglichen.“Diesfalls waren Bühnenbild und Kostüme von Anfang an auch für die Volksoper geplant: Alle Ausstattungselemente seien „zum Glück noch rechtzeitig vor dem Brexit bei uns eingetroffen“. Auch diese Oper wird auf Deutsch geboten, womit Meyer einmal mehr seine Überzeugung unterstreicht: „In der Volksoper ist es seit Langem Tradition, in deutscher Sprache zu singen. Das finde ich auch richtig. Die Leute sollen die Geschichten verstehen und dabei nicht ständig auf die Übertitel schauen.“Die Oper „Rigoletto“allerdings, deren Wiederaufnahme im März ausfiel und nun nachgeholt werden soll, wird auf die italienische Fassung umgestellt – „weil wir so erstklassige internationale Gastsänger engagieren können“, erklärt Meyer, „doch das soll die Ausnahme sein. Eigentlich ist mein Weg weiterhin der der deutschen Fassungen.“
„Zauberflöte“mit Puppenspielern
Ein neues Gesicht bekommt Mozarts „Zauberflöte“, die 15 Jahre alte Inszenierung von Helmuth Lohner soll einer „besonders märchenhaften, fantasievollen“weichen. Regisseur Henry Mason hat sich, wie schon bei „Der Zauberer von Oz“, Puppenspielerin Rebekah Wild ins Boot geholt. „Die Puppenspieler werden Tiere und die drei Knaben spielen, und es gibt sogar eine fliegende Flöte“, so Meyer.
Um das Publikum bis Herbst bei der Stange zu halten, denkt Meyer laut über Auftritte seiner Sänger und Musiker in den Parks rund um die Volksoper nach: „Dort könnten wir schon im Juni am Wochenende kurze Konzerte auf der grünen Wiese machen. Wir hoffen auf die Genehmigung der zuständigen Magistratsabteilung“, so Meyer. „Ich will dort keine Bühne hinstellen, sondern einfach wieder Kontakt zu den Menschen aufnehmen. Live-Musik ist einfach ein ganz anderes Erlebnis als Streaming.“
Präsentation auf ORF III: 27. Mai, 19.45 Uhr.