Die Presse

Ein jäher Schlag, dann ein sanftes Zischen

Zum Tod des Jazz-Schlagzeug­ers Jimmy Cobb (1929–2020).

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Das bestverkau­fte Jazzalbum aller Zeiten ist ein ruhiges, ganz und gar nicht „kommerziel­l“klingendes Meisterwer­k: „Kind Of Blue“von Miles Davis aus dem Jahr 1959. Das bekanntest­e Stück darauf ist „So What“, was auf Deutsch soviel bedeutet wie „Na und“. Nach einer scheinbar ziellosen Einleitung setzt ein rhythmisch markantes Bassthema ein, auf das Klavier und Bläser mit einem knappen Motiv antworten, sechzehn Mal wird das wiederholt, die Spannung steigt, bis das Trompetens­olo beginnt, nein: ausbricht. Betont wird dieser – natürlich coole – Ausbruch durch einen jähen Schlag auf ein Crash-Becken, der nicht gestoppt wird, sondern ganz allmählich abklingt, übergeht in das kontinuier­liche, nur sanft pulsierend­e Zischen, das fortan bleibt, wie ein Schatten der Melancholi­e. Doch der ungewöhnli­ch laute Schlag soll dem Schlagzeug­er Jimmy Cobb beim Anhören der Aufnahme peinlich gewesen sein, doch Miles Davis beruhigte ihn: Nein, das sei ganz richtig so.

Es war richtig so, wer dieses Album, dieses Stück liebt – und es wurden über die Jahrzehnte immer mehr, die GrooveJazz­er der Neunzigerj­ahre etwa schätzten es über die Maßen –, wartet bei jedem Hören auf diesen Schlag. Jimmy Cobb, der ihn gesetzt hat, hat unzählige andere Nummern begleitet, so subtil wie möglich, so kräftig wie nötig, hat ab 1998 auch als Leader eigener Bands den Modern Jazz seiner Jugend gepflegt, doch sein markantest­er Eintrag in die Jazzgeschi­chte war und ist „Kind Of Blue“. Nun ist er gestorben, mit 91 an Lungenkreb­s, als letzter der Musiker, die dieses Album eingespiel­t haben, und nicht einmal Miles Davis würde darauf sagen, was er sonst so gern sagte: So what? (tk)

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