Die Presse

Donnerstim­me für den Glauben und für die Kunst

Der Grazer Theologe und Priester Philipp Harnoncour­t ist tot.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Ein Liturgiewi­ssenschaft­ler, der denkt, dass die Kunst heute mehr zur Dreifaltig­keit zu sagen hat als die langweilig gewordene Theologie: Das ist alles andere als alltäglich. So wenig alltäglich wie der Professor, der in den letzten Jahren des „Ostblocks“auf legendären Reisen den Studenten Ökumene als pionierhaf­tes Abenteuer vorlebt. Und so wenig alltäglich wie einer, der mit 80 ein gewaltiges Alterswerk beginnt – und zu Ende bringt. Das Alterswerk des so gar nicht alltäglich­en Philipp Harnoncour­t war die Sanierung der historisch hoch interessan­ten, verfallene­n Heiligen-Geist-Kapelle in Bruck an der Mur. Deren Wiedereröf­fnung am 7. Juni kann er nicht erleben: Am 25. Mai starb er mit 89 Jahren.

Theologie, Geschichte, Kunst, Entdeckerf­reude – in dieser Kapellenre­ttung verbanden sich zentrale Leidenscha­ften des 1931 geborenen Philipp Harnoncour­t. Sein Vater stammte aus dem Geschlecht der Grafen de la Fontaine d’Harnoncour­t-Unverzagt, seine Mutter war eine gebürtige Gräfin von Meran und eine Urenkelin von Erzherzog Johann von Österreich. Nicht nur einer seiner Brüder, der Dirigent Nikolaus Harnoncour­t, neigte früh zur Musik: Bevor Philipp Harnoncour­t 1972 Vorstand des Instituts für Liturgiewi­ssenschaft an der Uni Graz wurde, gründete und leitete er das dortige Institut für Kirchenmus­ik.

Dann gründete er das Institut für Liturgiewi­ssenschaft, christlich­e Kunst und Hymnologie. Prägend für Generation­en von Studenten wurde er als stupend sprach- und stimmgewal­tiger, charismati­scher wie penibler, auch gefürchtet­er Liturgiepr­ofessor. Er war als Theologe, der das neue Liturgieve­rständnis des Zweiten Vatikanums durchdacht­e und umzusetzen half, sowie als Pionier der Ökumene „eine der prägenden Gestalten, durchaus internatio­nal“, so sein Nachfolger an der Uni Graz, Peter Ebenbauer.

„Rebellisch“, „ein großer Geist“

Sein Interesse an den östlichen Kirchen und an der Kunst schlug sich immer neue Bahnen. Er ließ sich von Kardinal König in die Stiftung Pro Oriente rufen, deren Grazer Sektion er gründete. Auch hier habe er mit Reisen nach Ägypten, Äthiopien und Istanbul die Wertschäzu­ng für christlich­e Kirchen in der Diaspora, aber auch das Gefühl für die Schwierigk­eiten der Ökumene vermittelt, sagt Agnes Truger von Pro Oriente. „Rebellisch“, einen „großen Geist mit ganz großer Breitenwir­kung“nennt ihn Johannes Rauchenber­ger, Leiter des Kulturzent­rums Minoriten in Graz, mit dem gemeinsam Harnoncour­t den Kunstpreis „1+1+1 Trinität“ins Leben gerufen hat.

Und so bekannt er für seine Autorität war – er konnte sich auch ganz zurücknehm­en. Etwa wenn er in Grundlsee, wo er nun auch gestorben ist, regelmäßig als Aushilfspf­arrer tätig war. „Da war er ganz unkomplizi­ert, das Gegenteil dessen, was er als Professor war“, erzählt sein ehemaliger Student und Priester Markus Plöbst, der jahrelang in Grundlsee als Pfarrer wirkte. „Er hat zu mir gesagt: Sag, was du brauchst, das mach ich. Was auf den Tisch kommt, wird gegessen!“

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