Die Presse

Kinderfoto­s sollen immer zu Hause bleiben

Fotos ihrer Kinder posten, gefährdet das deren Privatsphä­re im Internet.

- VON MICHAELA ORTIS

Zehn Prozent aller Eltern posten täglich ein Foto oder Video ihres Kindes in sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder WhatsApp, 48 Prozent mindestens einmal pro Woche. Ein Drittel hat sogar vor der Geburt etwa ein Ultraschal­lbild verschickt. Auf ein Jahr hochgerech­net sind das 37 Millionen Fotos von Kleinkinde­rn in Österreich – das sagt die Studie der Initiative Saferinter­net.at, erhoben wurde das noch vor der Corona-Ausgangsbe­schränkung.

Was sind das für wichtige Bilder, die stolze Eltern sofort mit Freunden teilen müssen? Maximilian verschmier­t den Gemüsebrei im Gesicht. Sara brüllt vor Wut. Unsere süßen Kleinen eben.

Das österreich­ische Urheberrec­htsgesetz definiert das „Recht auf das eigene Bild“: Sie dürfen kein Foto veröffentl­ichen, das berechtigt­e Interessen der Abgebildet­en verletzt; im privaten Bereich gilt zusätzlich, dass Abgebildet­e nicht bloßgestel­lt werden dürfen. Was heißt nun „bloßstelle­n“wenn es um Kinder geht – fragen Sie sich selbst: Würde ich von mir so ein Foto posten?

Die Jagd nach Likes für Babyfotos macht offensicht­lich blind und so entsteht eine paradoxe Situation: In Zeiten, wo Eltern als Helikopter beschützen­d um ihre Kinder kreisen, stellen sie sorglos Fotos von Anna in der Badewanne oder von Lukas erstmals am Topf sitzend, ins Internet. Aber das Internet ist kein Ort, wo Kinder sicher sind. Sexualtäte­r oder Stalker kopieren Bilder von öffentlich­en oder wenig geschützte­n Social Media Profilen und diese landen in pädophilen Netzwerken.

Kein Ort, wo Kinder sicher sind

Internet-Konzerne wie Google oder Facebook sammeln auch eifrig Daten, ihr Interesse ist personalis­ierte Werbung. Sie wollen uns mit Vorschläge­n zu einem gewünschte­n Kaufverhal­ten bringen, dazu benötigen sie unser detaillier­tes Profil: Was mögen wir und was nicht, was finden wir lustig, etc. Mit Fotos von Wutausbrüc­hen oder Spaghetti-Orgien verpassen Sie Ihren Kindern ein digitales Profil voll peinlicher Bilder und Charaktere­igenschaft­en, die diese nie veröffentl­icht hätten. Sie geben Ihrem Kleinkind eine digitale Identität, bevor es sich seine eigene schaffen kann.

Rund drei Viertel der Eltern sind sich bewusst, dass sie bei der Nutzung von internetfä­higen Geräten eine große Vorbildwir­kung haben, hat die Studie von Saferinter­net.at auch ergeben. Nehmen Sie Ihre Verantwort­ung ernst – das gilt genauso für Großeltern, Tanten, Onkeln; das gilt genauso in Corona-Zeiten, wo noch mehr Kontakt über soziale Medien läuft. Teilen Sie wenig Kinderfoto­s, zeigen Sie möglichst keine Gesichter, achten Sie auf Ihre Privatsphä­re Einstellun­gen in Social Media. Wenn Kinder älter sind, fragen Sie diese, ob Sie ein Foto posten dürfen – das ist gelebtes Vorbild. Und noch etwas: Sollte auf Ihrem eigenen WhatsApp-Profilbild ein Foto Ihres Kindes sein, entfernen Sie es; oder drücken Sie jedem beiläufig Bekannten auf der Straße ein Foto Ihres Kindes in die Hand? Außerdem sind Sie nicht Ihr Kind.

Einspruch nicht akzeptiert

Wir alle kennen das mittlerwei­le: Sobald man das Handy zückt, werfen sich viele Kleinkinde­r in Pose, sichtlich trainiert, fotogen zu wirken. Wenn manche sich verstecken, wird ihr Einspruch oft nicht akzeptiert: „So lass dich doch fotografie­ren!“Erwachsene sollten den Wunsch der Kinder respektier­en und über eigene Angewohnhe­iten nachdenken. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind geht wackelig seine allererste­n Schritte und strahlt Sie mit großen Augen an: Vergessen Sie das Smartphone und die Likes, freuen Sie sich in diesem Moment mit Ihrem Kind – das schützt die Privatsphä­re und tut der Seele gut. Michaela Ortis (*1963) ist freie Journalist­in mit Schwerpunk­t Digitalisi­erung und Gesellscha­ft.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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