Kinderfotos sollen immer zu Hause bleiben
Fotos ihrer Kinder posten, gefährdet das deren Privatsphäre im Internet.
Zehn Prozent aller Eltern posten täglich ein Foto oder Video ihres Kindes in sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder WhatsApp, 48 Prozent mindestens einmal pro Woche. Ein Drittel hat sogar vor der Geburt etwa ein Ultraschallbild verschickt. Auf ein Jahr hochgerechnet sind das 37 Millionen Fotos von Kleinkindern in Österreich – das sagt die Studie der Initiative Saferinternet.at, erhoben wurde das noch vor der Corona-Ausgangsbeschränkung.
Was sind das für wichtige Bilder, die stolze Eltern sofort mit Freunden teilen müssen? Maximilian verschmiert den Gemüsebrei im Gesicht. Sara brüllt vor Wut. Unsere süßen Kleinen eben.
Das österreichische Urheberrechtsgesetz definiert das „Recht auf das eigene Bild“: Sie dürfen kein Foto veröffentlichen, das berechtigte Interessen der Abgebildeten verletzt; im privaten Bereich gilt zusätzlich, dass Abgebildete nicht bloßgestellt werden dürfen. Was heißt nun „bloßstellen“wenn es um Kinder geht – fragen Sie sich selbst: Würde ich von mir so ein Foto posten?
Die Jagd nach Likes für Babyfotos macht offensichtlich blind und so entsteht eine paradoxe Situation: In Zeiten, wo Eltern als Helikopter beschützend um ihre Kinder kreisen, stellen sie sorglos Fotos von Anna in der Badewanne oder von Lukas erstmals am Topf sitzend, ins Internet. Aber das Internet ist kein Ort, wo Kinder sicher sind. Sexualtäter oder Stalker kopieren Bilder von öffentlichen oder wenig geschützten Social Media Profilen und diese landen in pädophilen Netzwerken.
Kein Ort, wo Kinder sicher sind
Internet-Konzerne wie Google oder Facebook sammeln auch eifrig Daten, ihr Interesse ist personalisierte Werbung. Sie wollen uns mit Vorschlägen zu einem gewünschten Kaufverhalten bringen, dazu benötigen sie unser detailliertes Profil: Was mögen wir und was nicht, was finden wir lustig, etc. Mit Fotos von Wutausbrüchen oder Spaghetti-Orgien verpassen Sie Ihren Kindern ein digitales Profil voll peinlicher Bilder und Charaktereigenschaften, die diese nie veröffentlicht hätten. Sie geben Ihrem Kleinkind eine digitale Identität, bevor es sich seine eigene schaffen kann.
Rund drei Viertel der Eltern sind sich bewusst, dass sie bei der Nutzung von internetfähigen Geräten eine große Vorbildwirkung haben, hat die Studie von Saferinternet.at auch ergeben. Nehmen Sie Ihre Verantwortung ernst – das gilt genauso für Großeltern, Tanten, Onkeln; das gilt genauso in Corona-Zeiten, wo noch mehr Kontakt über soziale Medien läuft. Teilen Sie wenig Kinderfotos, zeigen Sie möglichst keine Gesichter, achten Sie auf Ihre Privatsphäre Einstellungen in Social Media. Wenn Kinder älter sind, fragen Sie diese, ob Sie ein Foto posten dürfen – das ist gelebtes Vorbild. Und noch etwas: Sollte auf Ihrem eigenen WhatsApp-Profilbild ein Foto Ihres Kindes sein, entfernen Sie es; oder drücken Sie jedem beiläufig Bekannten auf der Straße ein Foto Ihres Kindes in die Hand? Außerdem sind Sie nicht Ihr Kind.
Einspruch nicht akzeptiert
Wir alle kennen das mittlerweile: Sobald man das Handy zückt, werfen sich viele Kleinkinder in Pose, sichtlich trainiert, fotogen zu wirken. Wenn manche sich verstecken, wird ihr Einspruch oft nicht akzeptiert: „So lass dich doch fotografieren!“Erwachsene sollten den Wunsch der Kinder respektieren und über eigene Angewohnheiten nachdenken. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind geht wackelig seine allerersten Schritte und strahlt Sie mit großen Augen an: Vergessen Sie das Smartphone und die Likes, freuen Sie sich in diesem Moment mit Ihrem Kind – das schützt die Privatsphäre und tut der Seele gut. Michaela Ortis (*1963) ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Digitalisierung und Gesellschaft.
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