Managergehälter in Zeiten von Corona
Gagen. Österreichs Manager verdienen zu viel, wird kritisiert. Viel wichtiger ist aber das Entlohnungssystem.
Wien. Das Ranking der Managergehälter der börsenotierten Konzerne in Österreich kommt heuer zu einer heiklen Zeit. Die Wirtschaft leidet unter der weltweiten Coronapandemie, Führungskräfte versuchen ihre Unternehmen möglichst effizient durch die Krise zu steuern. Dennoch – oder gerade deswegen – sind bereits eine halbe Million Menschen hierzulande arbeitslos, mehr als 1,3 Millionen in Kurzarbeit. Und keiner weiß, wie stark der Abschwung ausfallen und wie lang er anhalten wird.
Eine gute Ausgangslage für die Arbeiterkammer (AK), um ihre jährliche Auswertung der Vorstandsvergütungen zu veröffentlichen. Denn über Millionengagen zu lesen, während für viele unklar ist, ob sie im kommenden Monat überhaupt noch einen Job haben werden, erregt Aufmerksamkeit und erhitzt die Gemüter.
OMV-Chef Spitzenreiter
Das Durchschnittsgehalt der Vorstände von ATX-Unternehmen lag 2019 bei rund 1,9 Millionen Euro – und war 57 Mal so hoch wie das mittlere Einkommen (Medianwert) aller Beschäftigten in Österreich. Nur 2018 war dieser Wert höher. Mit einem Jahresverdienst von 7,2
Millionen Euro führt Rainer Seele, Vorstandschef des teilstaatlichen Öl- und Gaskonzerns OMV, das Ranking an. Sein Gehalt stieg im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent. Seele hat Mitte 2019 die Agenden seines ausgeschiedenen Vorstandskollegen Manfred Leitner übernommen. Diese Zusatzfunktion hat seine Gage um mehr als eine Million Euro aufgebessert. PR-technisch kein gutes Timing, dass kürzlich hohe Spesen des OMV-Chefs für Privatjetflüge publik wurden – auch wenn das die interne Revision relativiert hat.
Auf Platz zwei mit 5,32 Millionen Euro liegt Wilhelm Hörmanseder. Mit Bonuszahlungen von 3,72 Millionen Euro konnte sich der Chef des Kartonproduzenten MayrMelnhof über eine Gehaltssteigerung von 27 Prozent freuen. Auf Rang drei zurückgefallen ist indes der Spitzenverdiener von 2018, Bawag-CEO Anas Abuzaakouk. Mit 4,92 Millionen Euro hat der öffentlichkeitsscheue US-Amerikaner 2019 um 26,2 Prozent weniger verdient als im Vorjahr, weil er auf seine Boni verzichtet hat. Auch heuer entfällt für den gesamten BawagVorstand die variable Vergütung. Auch der Baukonzern Porr hat eine solche Maßnahme angekündigt.
„Entlohnungstaktik“von 2008
Diesen Schritt könnte man auch als klugen Schachzug werten, um das eigene Unternehmen aus der Schusslinie der bevorstehenden öffentlichen Kritik von hohen Managergehältern zu nehmen. Diese Debatte ist zwar ein Dauerbrenner, aber in Anbetracht der aktuellen Krise eine, die viel Sprengstoff birgt. Die Frage, wer die hohen Kosten für die staatlichen CoronaHilfsmaßnahmen tragen soll, wurde bereits angeschnitten, aber hat noch lang nicht ihre volle gesellschaftspolitische Wirkung entfaltet.
So nutzt die AK die Veröffentlichung der Managergehälter, um genauer hinzuschauen, wie sich die Coronakrise auf die Vorstandsvergütungen auswirken wird – mit einer Erinnerung an die Finanzkrise von 2008. „Die damalige Entlohnungstaktik, das Spiel mit den verschiedenen Vergütungselementen darf sich diesmal nicht wiederholen“, sagt Christina Wieser, Autorin der AK-Studie zur „Presse“. Die Boni seien zwar nach der Krise 2008 gekürzt, aber gleichzeitig die Fixgehälter der Vorstände um 30 Prozent erhöht worden. Als sich die Lage 2011 wieder entspannt hatte, stiegen die Bonuszahlungen wieder auf das Vorkrisenniveau, die hohen Fixgehälter blieben, sagt Wieser.
Um das diesmal zu verhindern, fordert die AK eine „Boni-Bremse“für alle Unternehmen, die staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Das sei zwar bei Garantien und
Krediten der Finanzierungsagentur des Bundes so, aber noch nicht bei den anderen Förderstellen wie der Oesterreichischen Kontrollbank.
Zudem sollte die variable Vergütung viel stärker nach nicht-finanziellen Zielen ausgerichtet werden. Derzeit gelten Steigerungen des Gewinns, Betriebserfolgs oder des Aktienkurses als Erfolgskriterien. Im Einklang mit dem anstehenden ökosozialen Konjunkturprogramm der Regierung sollen auch die Managergehälter an soziale und ökologische Ziele gekoppelt werden, fordert die AK. Seit heuer gibt es zudem ein neues Gesetz, das Aktionären mehr Mitsprache bei der Vorstandsvergütung gibt – hier kann und muss man ansetzen, sagt Wieser.
Leistung muss belohnt werden
„Ich würde den Unternehmen nicht unterstellen, dass man nach der Finanzkrise absichtlich die Boni gekürzt und die Fixgehälter erhöht hat“, sagt Michael Schaumann, Managing Partner von Stanton Chase, eines auf höchste Führungsebenen spezialisierten Headhunters. „Aber die Vergütung richtet sich derzeit tatsächlich zu wenig nach strategischen und nachhaltigen Zielen, sondern überwiegend nach finanziellen Kriterien.“
Die Krise sei eine Chance für Unternehmen, ihre Entlohnungssysteme an die Höhe der Zeit anzupassen. Führungskräfte sollen dafür belohnt werden, wenn sie der Gesellschaft und der Umwelt etwas Gutes tun. Aber: „Ich halte nichts von Verdienst-Obergrenzen. Wenn jemand großartige Leistung abliefert, soll er oder sie auch großartig entlohnt werden“, so Schaumann.