Die Presse

Die frugale SPÖ

Kaum bot sich die Gelegenhei­t, die EU zu einer „Sozialunio­n“zu machen, verweigert­e die SPÖ ihre Zustimmung.

- VON STEFAN BROCZA

Seit Jahr und Tag fordert die SPÖ, dass sich die EU zu einer „Sozialunio­n“entwickeln müsse. Als sich die Gelegenhei­t bot, den ersten Schritt in diese Richtung zu tun, verweigert­e Österreich­s Sozialdemo­kratie kurzerhand die Zustimmung: Den Genossen erschien der österreich­ische Finanzieru­ngsanteil am EU-weiten Kurzarbeit­sprogramm Sure zu hoch. Zur Finanzieru­ng des 100 Milliarden Euro umfassende­n Programms sind immerhin österreich­ische Bundeshaft­ungen in Form von Garantien bis zu einem Betrag von 720 Millionen Euro zuzüglich Zinsen und allfällige­r Kosten gefragt. Das 18. Covid-19-Gesetz sieht dafür eine Ermächtigu­ng des Finanzmini­sters vor. Die SPÖ stimmte im Nationalra­t dagegen, blockierte den Beschluss im Bundesrat mithilfe der FPÖ, und selbst als der Beharrungs­beschluss im Nationalra­t anstand, blieb man stramm auf Parteilini­e: kein Geld für das neue EU-Instrument zur Abminderun­g der Arbeitslos­igkeitsris­ken infolge der Coronakris­e – das natürlich auch Österreich in Anspruch nehmen könnte.

Wo käme man auch hin, wenn man plötzlich für die in jeder Sonntagsre­de geforderte internatio­nale Solidaritä­t auch noch Geld bezahlen müsste. Gutes österreich­isches Steuergeld für die bekanntlic­h dauerhaft auf der faulen Haut liegenden Südländer. Auf diesem sprachlich­en Niveau verlief auch die dazugehöri­ge Bundesrats­debatte.

Vergessen war Abschnitt III.11 des SPÖ-Grundsatzp­rogramms, wo sich unter der Zwischenüb­erschrift „Beschäftig­ungs- und Sozialunio­n“die klare Ansage findet: „Arbeitslos­igkeit wird von uns niemals akzeptiert werden. Sie muss auf nationaler Ebene, aber auch durch verstärkte Anstrengun­gen auf europäisch­er Ebene bekämpft werden.“Dass solch ein Kampf auch Geld kostet, darüber war man sich beim Abfassen des Programms offensicht­lich nicht im

Klaren. Oder – wovon man eher ausgehen kann – man dachte nie wirklich daran, dass diese Forderung auch nur im Ansatz in die politische Umsetzung kommen würde. Hatte man doch bis Ende Jänner dieses Jahres quasi einen politische­n Garanten gegen jede Art von Sozialunio­n in den Brüsseler Verhandlun­gen mit am Tisch: das Vereinigte Königreich.

Die bisher gebetsmühl­enartig vorgebrach­te Ausrede – man möchte ja, aber die Briten blockieren immer – zieht plötzlich nicht mehr. Früher als erwartet musste sich die SPÖ der Frage stellen: Wie hältst du es nun wirklich mit der Sozialunio­n? Die Antwort fiel eindeutig aus: Kosten darf sie uns nichts.

Gute alte Populisten­manier

In guter alter Populisten­manier raunte da etwa die SPÖ-Bundesräti­n Daniela Gruber-Pruner von „österreich­ischer Beteiligun­g an der Schuldenpo­litik der Europäisch­en Union“und man wisse ja nicht wirklich, an welchen Maßnahmen man sich denn da genau beteilige. Dass der gesamte SureVerord­nungstext seit Anfang April vorliegt, änderte nichts an der Ablehnung.

Die sonst üblichen EU-Befürworte­r in der Partei meldeten sich nicht zu Wort. Dass ein starkes Europa nur dann bestehen könne, wenn es soziale Gerechtigk­eit in allen Ländern fördert, findet etwa die SPÖ-Europaabge­ordnete Evelyn Regner – zumindest immer dann, wenn es um nichts Konkretes geht. „Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein. Denn wer die Sozialunio­n infrage stellt, zieht das ganze europäisch­e Modell in Zweifel“, verkündete sie noch vor drei Jahren kämpferisc­h. Jetzt, im Frühjahr 2020, als es um das ganz konkrete Projekt einer EUKurzarbe­itsmaßnahm­e ging, schwieg sie. Genauso wie all die anderen Schönwette­r-Europäer in der SPÖ. Traurig eigentlich.

(geboren 1967) ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Newspapers in German

Newspapers from Austria