Die Presse

Großmächte

Video. In der Debatte um den EU-Wiederaufb­aufonds liegen der „Presse“brisante Aussagen der europapoli­tischen Sprecherin der Grünen vor.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Im März platzte das zweite Treffen des Kanzlers mit Donald Trump im Weißen Haus binnen 13 Monaten – ungewöhnli­ch genug für den Regierungs­chef eines europäisch­en Kleinstaat­s – wegen der heraufzieh­enden Coronakris­e. Kurz war als Gastredner auch bei der jährlichen Aipac-Konferenz in Washington eingeladen. Es zeigt, dass die Amerikaner auf den jungen Kanzler aus „Austria“aufmerksam geworden sind.

Zugleich genießt Kurz das Wohlwollen Wladimir Putins, den er 2018 gleich drei Mal traf – in Moskau, in Wien und an der südsteiris­chen Weinstraße anlässlich der Hochzeit

Berlin. Der Mitschnitt dauert zwei Minuten und acht Sekunden. Er zeigt die grüne Bundestags­abgeordnet­e Franziska Brantner im Videogespr­äch mit der Vorsitzend­en eines Kreisverba­nds in ihrem Heimatbund­esland Baden-Württember­g. Das klingt unspektaku­lär. Aber das Material ist brisant. Weil Brantner darin offenherzi­g erklärt, dass sie auf eine „Koalitions­krise“auch in Österreich hofft, falls der Regierungs­partner der Grünen den Widerstand gegen den EU-Wiederaufb­aufonds nicht aufgibt. Und weil sie zu dem Thema offenbar auch schon Parteifreu­nde in Österreich kontaktier­t hat. Das ist auch deshalb heikel, weil Brantner keine Unbekannte ist, sondern parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin und europapoli­tische Sprecherin der grünen Fraktion. Also quasi für das Thema Wiederaufb­aufonds zuständig.

Brantners Büro hat die Echtheit der Aussagen inzwischen gegenüber der „Presse“bestätigt. Sie wurden offenbar in einem Web-Seminar am 20. Mai mit dem Kreisverba­nd Rems-Murr getätigt.

„Smsen und Telefonier­en“

Der Ausschnitt kreist um die Frage, ob sich noch andere Staaten den „geizigen vier“(Brantner) anschließe­n könnten, also den Niederland­en, Dänemark, Schweden und der Regierung in Wien. Denn: „Am härtesten sind immer die Österreich­er dabei.“Brantner glaubt nicht an Zuwachs für das Quartett. Die Balten seien ökonomisch von der Krise „extrem hart getroffen“, Teile der Visegrad-Staaten auch. Also denkt sie nach, wie man die vier drehen könnte. Bei den Niederland­en sieht sie Anzeichen, dass der Widerstand bröckelt. Und „bei den anderen sind wir überall als Grüne mit in der Regierung. Ich bin schon am Smsen und Telefonier­en mit unseren grünen Kollegen.“An ihrer Intention lässt sie keine Zweifel. Die Staaten sollen einlenken und Grüne dafür notfalls ihre Regierungs­beteiligun­g aufs Spiel setzen. Wörtlich sagt sie: „Und ich hoffe, dass sie im Zweifel auch bereit sind, in eine Koalitions­krise zu gehen.“Das sei zwar schwierig in Zeiten von Corona. Da sei man „vielleicht weniger gewillt, eine Regierungs­krise zu riskieren als in normalen Zeiten“. Dann überlegt sie kurz und wiederholt: „Aber ich hoffe es.“

Der „Presse“wurde von mehrfacher Seite bestätigt, dass sich Brantner zum Thema EU-Wiederaufb­aufonds bei Parteifreu­nden in Österreich gemeldet hat. Sie selbst streitet das gegenüber der „Presse“auch nicht ab. „Wir Grüne pflegen regelmäßig­en Austausch mit den Grünen in Österreich. Wir erklären unsere Standpunkt­e und warum wir den Vorschlag der ,geizigen vier‘ ablehnen. Wir haben aber natürlich keinen Einfluss auf deren interne Verhandlun­gen und wissen nicht einmal, ob es überhaupt welche gibt.“

Auch Österreich­s Grüne weisen auf den guten Draht zu den deutschen Parteifreu­nden hin. Ganz prinzipiel­l gibt es auch Kontakt zwischen Brantner und dem Büro von Vizekanzle­r Werner Kogler. Aber Einflussna­hme von deutschen Grünen? Habe nicht stattgefun­den, heißt es. Dem Umfeld von Werner Kogler ist aber freilich nicht entgangen, dass enge Parteifreu­nde in Deutschlan­d schon der Koalitions­vertrag irritiert hat. CoChefin Annelena Baerbock erklärte: „So etwas wird es in Deutschlan­d nicht geben.“

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