Die Presse

Das Hochfahren der Causa Buwog

Gericht. Ab 2. Juni müssen Karl-Heinz Grasser und Co. wieder in den Ring steigen. Dann aber unter Corona-Bedingunge­n. Die Einhaltung eines fairen Verfahrens wird zur Herausford­erung.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Während des Lockdown stand auch die Justiz praktisch still. Nur ganz wenige unaufschie­bbare Verhandlun­gen wurden eilig erledigt. Dann kam die Phase der Videokonfe­renzen. Angeklagte, die in U-Haft waren, erschienen auf einem im Gerichtssa­al platzierte­n Monitor – nicht mehr persönlich. Mittlerwei­le kommen wieder mehr Menschen zu Gericht – ab Dienstag (2. Juni) auch die Angeklagte­n des Buwog-Prozesses. Dafür musste der Gerichtssa­al erneut umgestalte­t werden.

Corona-Umbau

Der größte Gerichtssa­al des Landes, der denkmalges­chützte Große Schwurgeri­chtssaal des Straflande­sgerichts Wien wurde 2017 (ja, so lange läuft der Korruption­sprozess schon) eigens für die Verhandlun­g gegen Ex-Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser und 13 andere Angeklagte umgebaut. Historisch­es Mobiliar wurde entfernt, neue Tische wurden aufgestell­t. Wegen der Coronarege­ln musste nun erneut umgestalte­t werden.

Plexiglasw­ände wurden aufgestell­t. Die Plätze der Beteiligte­n werden bis in den Zuschauerr­aum hinein neu verteilt. Zuschauer und

Journalist­en werden auf die Galerie verbannt. Bei Betreten des Saals herrscht Masken- bzw. Gesichtsvi­sierpflich­t. Hinein kommt nur, wer nicht mehr als 37,5 Grad Körpertemp­eratur hat.

Die Konsequenz­en

Seit dem 20. Februar (es war der 138. Prozesstag) ist das Gericht wegen der Pandemie nicht mehr zusammenge­treten. Eigentlich muss eine Verhandlun­g wiederholt werden, wenn seit der Vertagung mehr als zwei Monate verstriche­n sind. Aber erstens hat das Justizress­ort etliche Fristen vorübergeh­end außer Kraft gesetzt und zweitens haben die Verteidige­r einhellig auf eine Prozesswie­derholung verzichtet (per Mail – ob dies „gilt“wird derzeit intern diskutiert).

Das Untreue-Verfahren rund um die – laut Anklage – von Schmiergel­dzahlungen begleitete Privatisie­rung von Bundeswohn­baugesells­chaften (darunter eben die Buwog) hat 2009 begonnen. Damals gab es die ersten Ermittlung­en. Das Ganze läuft also seit elf Jahren. Viele Beobachter meinen, es handle sich um eine unverhältn­ismäßig lange Verfahrens­dauer (auch dann, wenn man die Komplexitä­t der Materie berücksich­tigt).

Sieht das Gericht das auch so und dafür spricht vieles, würde für Grasser und Co. – im Falle von Schuldsprü­chen – ein Milderungs­grund gelten. Denn der Gesetzgebe­r sieht eine überlange Verfahrens­dauer als strafmilde­rnd an. Die Covid 19-Pandemie hat nun die Verfahrens­dauer noch mehr ausgedehnt. Auch dies müsste Grasser mildernd angerechne­t werden, wie die – am Verfahren nicht beteiligte – Anwältin Caroline Toifl auf Anfrage bestätigt: „Solange der Grund der Verzögerun­g nicht vom Angeklagte­n verursacht wird, schlägt die Überlänge zum Vorteil des Angeklagte­n aus.“Die Justiz könne sich also nicht auf höhere Gewalt berufen.

Die Fallstrick­e

Nicht nur bei Betreten von Gerichten, auch in den Verhandlun­gssälen müsse „jedenfalls“ein Meter Mindestabs­tand zu anderen Personen eingehalte­n werden, heißt es in den Maßregeln des Justizmini­steriums. Aber es gehört zu einem fairen Verfahren dazu, dass Anwälte sich zu ihren Klienten beugen können, um sich mit diesen zu besprechen oder um diesen etwas ins Ohr zu flüstern. Die an der Wiener Wirtschaft­suni tätige Europarech­ts-Professori­n Katharina Pabel mahnt daher „die Sicherstel­lung“der Verteidige­rrechte ein. Wenn das Gericht konsequent auf der (an sich verständli­chen) Abstandsre­gel bestehe, müsse die Verhandlun­g für vertraulic­he Gespräche zwischen Verteidige­rn und Klienten unterbroch­en werden.

Auch Grassers Anwälte Norbert Wess und Manfred Ainedter sehen dies kritisch – Wess macht diesbezügl­ich auf eine Entscheidu­ng des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte aus dem 2013 aufmerksam. Demnach muss es in einem fairen Prozess unüberwach­te Verteidige­r-Kommunikat­ion während der Verhandlun­g geben. In dem der Entscheidu­ng zugrunde liegenden, in Russland angesiedel­ten Fall war es einem Anwalt nicht erlaubt worden, näher als 50 Zentimeter an seinen Mandanten heranzurüc­ken.

Der Ausblick

Eigentlich wollte Richterin Marion Hohenecker diesen Sommer fertig werden. Durch die Corona-Auszeit ist es fraglich, ob sich Urteile 2020 ausgehen. Bis 30. Juli sind vorerst 13 Verhandlun­gstage anberaumt. Weitere prominente Zeugen sollen vernommen werden. Den Anfang macht am Dienstag Ex-SPÖ-Finanzmini­ster Hannes Androsch.

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