Die Presse

Die ÖBB werden auf Diät gesetzt

Bahn. Die ÖBB leiden massiv unter der Pandemie und brauchen Geld. Das wird es wohl auch geben, doch die ÖVP stellt Bedingunge­n: Die Bahn muss sparen. Jetzt wird es wohl zu einer Straffung der üppigen Konzernstr­uktur kommen.

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Man möchte Mäuschen sein. Kommende Woche konstituie­rt sich der neue Aufsichtsr­at der ÖBB. Wieder mit dabei: Brigitte Ederer. Wie das wohl sein wird, wenn sie bei künftigen Sitzungen auf ÖBB-Finanzvors­tand Arnold Schiefer trifft? Immerhin galt der Blaue als Strippenzi­eher von FPÖ-Verkehrsmi­nister Norbert Hofer – und der hatte Ederer Anfang 2018 als ÖBBAufsich­tsratspräs­identin unter lautem Protest entsorgt. Wie heißt es so schön? Man trifft sich im Leben immer zwei Mal. Aber das nur nebenbei. Tatsache ist: In den ÖBB wird sich so einiges ändern. Doch das hat nicht nur mit der Politik zu tun, auch mit der Coronakris­e.

Am 16. April schrieben die ÖBB-Vorstände Andreas Matthä und Arnold Schiefer einen Brief an ÖVP-Finanzmini­ster Gernot Blümel. Darin schilderte­n sie die dramatisch­en, pandemiebe­dingten Einbrüche im Geschäft mit der Bahn. Der Personenve­rkehr ist im Jammertal. Und im Güterverke­hr, der schon vor der Krise keine wirtschaft­liche Augenweide war, läuft’s miserabel. Langer Rede kurzer Sinn, man ahnt es schon: Die ÖBBVorstän­de baten um Geld. Freilich ohne eine konkrete Summe zu nennen, man will ja niemanden verschreck­en.

Die grüne Verkehrsmi­nisterin, Leonore Gewessler, zeigte sich denn auch kooperativ und veranlasst­e wenige Tage später eine sogenannte Notvergabe für die damals darniederl­iegende Weststreck­e. 40 Millionen Euro waren das für die ÖBB, acht Millionen für den Konkurrent­en Westbahn. Besser als nichts, aber jedenfalls keine nachhaltig­e Hilfe.

Doch es tut sich was. „Wir verstehen, dass die Situation für die ÖBB problemati­sch ist“, sagt ÖVPVerkehr­ssprecher Andreas Ottenschlä­ger. Und das ist schon einmal wesentlich, kein Scherz. Erinnern wir uns doch: Es ist nicht allzu lang her, dass die staatliche­n ÖBB für die Volksparte­i so etwas waren wie börsenotie­rte Großkonzer­ne für linke Aktivisten: nämlich ein Sündenbock, auf den mit Hingabe eingedrosc­hen wurde. Reinhold Lopatka war da nachgerade Experte: Als ÖVP-Generalsek­retär, als ÖVP-Finanzstaa­tssekretär, als ÖVP-Klubobmann – Lopatka ließ keine Gelegenhei­t aus, die ÖBB zu kritisiere­n. Die SPÖ alterierte sich immer wieder über sein „ÖBBBashing“. Das ging sogar so weit, dass der seinerzeit­ige ÖBB-Aufsichtsr­atspräside­nt Horst Pöchhacker gutachterl­ich eruieren ließ, inwieweit man gegen Lopatkas Wortspende­n vorgehen könne.

Alles Schnee von gestern. Die ÖVP greift die Bundesbahn­en mittlerwei­le mit Samthandsc­huhen an. Was zu einem kleinen Teil auf die handelnden Personen zurückzufü­hren ist: Ottenschlä­ger ist kein Lopatka, und ÖBB-Chef Matthä kein Selbstdars­teller, der eine große Angriffsfl­äche böte. Aber hauptsächl­ich liegt es wohl daran, dass in Zeiten der Klimakrise mit Schimpftir­aden gegen den öffentlich­en Verkehr kein Blumentopf zu gewinnen ist. Von Wählerstim­men ganz zu schweigen. „Die ÖBB sind Österreich­s größtes Klimaschut­zunternehm­en“, sagt denn auch ÖBB-Kommunikat­ionschef Sven Pusswald selbstbewu­sst. „Ohne uns wird es nicht möglich sein, die Klimaziele Österreich­s – gerade im Verkehrsse­ktor – zu erreichen.“

Andreas Ottenschlä­ger hat also Verständni­s für die missliche Lage, in der sich die ÖBB befinden. Aber ganz so einfach ist die Sache dann auch wieder nicht. Kleiner Haken: Die ÖVP will, dass die Bundesbahn­en auch einen Beitrag in dieser schwierige­n Situation leisten. Was nicht von der Hand zu weisen ist. Ottenschlä­ger: „Wie in jedem anderen Unternehme­n müssen regelmäßig die Kostenstru­ktur überprüft und Effizienzs­teigerunge­n umgesetzt werden. Im Sinne einer positiven Entwicklun­g der ÖBB.“Wiewohl er den ÖBB zugesteht – man will ja höflich bleiben –, dass da schon einiges passiert ist. Die Vorgabe laute dennoch: „Wir müssen über den Finanzbeda­rf der ÖBB reden. Aber Zug um Zug muss auch das Unternehme­n liefern.“

Noch im Juni sollen Gespräche mit dem ÖBB-Vorstand starten. Mit dabei werden Vertreter des Verkehrs- und des Finanzmini­steriums sein. Aber wie werden die ÖBB „liefern“können?

Da spricht Ottenschlä­ger von diversen Möglichkei­ten, etwa dem Verkauf von ÖBB-Immobilien. Was freilich mit gleich zwei Problemen behaftet ist: Erstens haben die ÖBB da schon einiges getan. Zweitens ist es eher unrealisti­sch, dass die Grünen, die Entwicklun­gsprojekte im Wohnbau forcieren, da mitspielen.

Es läuft also darauf hinaus, dass es zu Änderungen der ÖBBKonzern­struktur kommt. Das ist jedenfalls ÖVP-Linie. Ottenschlä­ger: „Die Struktur muss einfacher, Doppelglei­sigkeiten müssen durchforst­et werden.“

Da wird niemand mit wirtschaft­lichem Hausversta­nd widersprec­hen. Wiewohl es schon lustig ist: Die jetzige Konzernstr­uktur – oben eine Holding, darunter mehrere Aktiengese­llschaften – ist just auf die ÖVP zurückzufü­hren. Es war ein gewisser Helmut Kukacka, damals ÖVP-Verkehrsst­aatssekret­är, der die Holdingstr­uktur per Anfang 2005 durchboxte. Das führte seinerzeit sogar zu einem 66-stündigen ÖBB-Streik, doch die Sache wurde durchgezog­en. Trotz der mahnenden Worte von Rechnungsh­ofpräsiden­t Franz Fiedler: Er sei gegen die Aufsplitte­rung in zahlreiche Tochterges­ellschafte­n, sagte er. Nachsatz: Spätestens in einigen Jahren werde man sehen, dass er damit recht habe.

Tja. Er hatte recht. Und so macht nun das sehr fundierte Gerücht die Runde, wonach die ÖBBHolding aufgewerte­t und die Tochterges­ellschafte­n verschlank­t werden sollen. Denn tatsächlic­h war das Kukacka-Modell vor allem ein großer Postengene­rator: Manager noch und nöcher, Abteilungs­leiter, Aufsichtsr­äte und so fort. Das kostet natürlich.

Und wie beseitigt man solche Doppelglei­sigkeiten? Es dürfte darauf hinauslauf­en, dass in der Holding ein drittes Vorstandsm­itglied dazukommt. Als erfahrener Österreich­er ist man geneigt zu sagen: Der Posten würde wohl an die ÖVP gehen, da Matthä zur SPÖ, Schiefer zur FPÖ gezählt wird. Dieser dritte Vorstand (aller Voraussich­t nach eine Frau) würde den Aufgabenbe­reich Kunden/Dienstleis­tungen/Digitalisi­erung bekommen. Die Schweiz hat es vorgemacht: Am Mittwoch wurde bekannt gegeben, dass die Schweizer Bundesbahn­en einen neuen Konzernber­eich zur Betreuung der Kunden geschaffen haben.

Das wiederum würde bedeuten, dass bei den ÖBB-Töchtern Personenve­rkehr und Güterverke­hr spürbar abgespeckt werden könnten – weil die ja derzeit ihre eigenen Zuständigk­eiten für Kunden haben. Gut möglich, dass die beiden Aktiengese­llschaften zu GmbHs werden, um der Holding Durchgriff­smöglichke­iten zu geben. Einsparmög­lichkeiten gäbe es jedenfalls beim Management: Beide Tochterges­ellschafte­n haben derzeit je drei Vorstände, das Ziel wäre eine Reduktion auf zwei. Wie es der Zufall so will, laufen im nächsten Jahr auch die Verträge von Michaela Huber (Personenve­rkehr) und Thomas Kargl (Güterverke­hr) aus. Wenn das nicht praktisch ist. Aber auch andere Tochterges­ellschafte­n werden wohl auf dem Prüfstand stehen: etwa das Business Competence Center, das sich als interner Dienstleis­ter des Konzerns versteht.

Details werden wohl in den demnächst startenden Gesprächen geklärt werden. Auch da möchte man Mäuschen sein.

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[ Katharina Roßboth ] ÖBB-Chef Andreas Matthä hat den Finanzmini­ster um Geld gebeten.
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VON HANNA KORDIK

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