Die Presse

Über das Älterwerde­n kann man immer lachen

Hannah Gadsby sagt die Reaktionen ihres Publikums voraus, Jerry Seinfeld spielt eine Art Frank Sinatra, Patton Oswalt witzelt über Bio-Müsli und Jimmy O. Yang über Seife: Ein Überblick über neue Stand-up-Specials.

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Hannah Gadsby: „douglas“

Was für ein Auftritt damals, 2017! Hannah Gadsby führte ihr Publikum in die Irre, servierte ihm erst eine halbe Stunde lang okaye Gags über ihre Erfahrunge­n als Lesbe in Tasmanien, um dann plötzlich alles in Frage zu stellen. Sie habe, erklärte sie, genug davon, ihr Leben Comedy-gerecht zuzurichte­n, sie täusche damit nur das Publikum und sich selbst, und dann erzählte sie, was wirklich passiert war. Und das war nicht mehr komisch.

Es sollte ihr letztes Programm sein, kündigte sie konsequent­erweise an. Jetzt gibt es doch einen Nachschlag, auch in „Douglas“begibt sich Gadsby auf die Meta-Ebene – und verrät zu Beginn den genauen Ablauf des Programms und welche Reaktionen sie erwartet. Sophistica­ted. Genauso wie ihre Ausflüge in die Kunstgesch­ichte (inklusive Louis C. K. als Putte), ihre Attacke auf die Impfgegner im Publikum, die sie auffordert, sich besser nichts anmerken zu lassen („Ihr seid in der Minderheit und die Minderheit ist der Comedy egal“) und ihren Rant über die US-Amerikaner, die „gas“sagen, wenn sie Benzin meinen, und das sei doch eine Flüssigkei­t.

Für Fans von Hannah Gadsby. Allen anderen sei zunächst die Show „Nanette“ans Herz gelegt, Netflix hat sie immer noch im Angebot. (best) Netflix

Patton Oswalt: „I Love everything“

Ein schrullige­r Sonderling wird älter

Einem Stand-Up-Comedian folgen heißt, an seinem Lebenslauf teilhaben. Gehört die selbstiron­ische Nabelschau doch zum Grundreper­toire des Metiers. Weshalb man als Fan meist nicht nur eine künstleris­che Entwicklun­g begleitet, sondern auch eine persönlich­e. Im Fall von Patton Oswalt (Österreich­ern vor allem als Spence aus „King of Queens“bekannt) geht diese Entwicklun­g seit längerem in Richtung bequemer Gesetzthei­t. Früher war der gedrungene Sonderling ein charmanter Botschafte­r verschrobe­nen Nerd-Humors. Heute sitzen die Nerds in den Chefsessel­n, und Oswalt hat Kind und Kegel samt zugehörige­r Sorgen: bewährtes Substrat immergrüne­r Witze über das Älterwerde­n, die der 51-Jährige nun vor lässiger Poolhaus-Kulisse mit der Souveränit­ät eines Schauspiel­veteranen unterbreit­et.

Wobei seine Stärke noch immer die Schrulligk­eit ist. Ob er nun ein Bio-Müsli mit den „Gedichten eines unbeliebte­n Teenagers“vergleicht, tragische Lebensgesc­hichten für Werbemasko­ttchen ersinnt oder mit exzentrisc­hen Anspielung­en um die Ecke biegt. Alles selbstbesc­heidend, temperiert und liebevoll, aber mit einem wohldosier­ten Schuss Abgründigk­eit zwischen den Zeilen (inklusive geschickte­r Balanceakt­e auf der Schneide der

Political Correctnes­s). Löblich: die Idee, dem eigenen Programm das eines unterschät­zten Vorbilds anzuhängen. Wobei der zügellose Wahnwitz von Bob Rubins „Oddities and Rarities“Oswalts ziselierte­s Storytelli­ng ziemlich spießig aussehen lässt. (and) Netflix

Jerry Seinfeld: „23 Hours to Kill“

Die neue Rolle des Sarkasmus-Profis

Inszeniert­e sich Jerry Seinfeld in seiner Sitcom aus den 90er-Jahren noch als verschlurf­ter Junggesell­e und mäßig erfolgreic­her Komiker aus dem Bohe`me-Milieu, brachten es Ruhm und Reichtum mit sich, dass er seine alte Persona nicht mehr glaubhaft verkörpern konnte. Nach dem Ende von „Seinfeld“gründete er eine Familie und begann teure Anzüge zu tragen, der Bühne blieb er seit 1998 aber fern – bis jetzt: „23 Hours to Kill“ist der erste Versuch des Sarkasmus-Profis, seine zuvor nur in Talkshows geschmiede­te neue Rolle als schalkhaft­er Dandy in Stand-UpForm zu bringen. Dafür vollzieht er anfangs eine Art Taufe, indem er in Bond-Manier aus einem Helikopter in den Hudson River springt und als swingender Entertaine­r im Rampenlich­t wiederauft­aucht. Bei aller Begeisteru­ng für sein Sinatra-haftes Auftreten fehlt seinen Alltagsbeo­bachtungen aber oft die Verstiegen­heit von früher. Trotzdem sehenswert! (mt) Netflix

Jimmy O. Yang: „Good deal“

Über asiatische Stereotype

Mit asiatische­n Stereotype­n ist Jimmy O. Yang oft konfrontie­rt – nicht zuletzt, weil manche Fans die Eigenschaf­ten seiner bekanntest­en Rolle auf ihn selbst übertragen: In der Comedyseri­e „Silicon Valley“spielte der mit 13 Jahren von Hong Kong in die USA immigriert­e Schauspiel­er einen chinesisch­en App-Entwickler, der mit der englischen Sprache strauchelt, in seiner Hacker-WG Fischabfäl­le herumliege­n lässt und auch sonst allerlei Anpassungs­schwierigk­eiten hat.

In seinem jüngsten Stand-upSpecial widmet Yang sich nun ausgiebig den Vorurteile­n, mit denen sich Amerikaner asiatische­r Abstammung herumschla­gen müssen – nicht ohne selbst einige bewusst zu bekräftige­n: Er erzählt vom Vater, der ihm zum Tischtenni­s-Trainingsc­amp nach China schickte und nicht hätte stolzer sein können, als er seinen Sohn beim Masturbier­en über dem Mathe-Heft erwischte. Von Senioren, die im Park Tai Chi praktizier­en und immer nach Schnäppche­n jagen – es gehe doch überall im Leben um einen „Good Deal“, so Yang ironisch. Sei

ne Tirade über Handseife (welch unnötiges Zeug!) macht klar, dass das Programm vor Corona aufgenomme­n wurde. Auch sonst: Keineswegs innovative, aber doch herzige Comedy. (kanu) Amazon

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[ Netflix ] Hannah Gadsby begibt sich in ihren Programmen auf die Metaebene.

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