Die Presse

Land der feinen Klingen

Sie fertigen alles vom Rasiermess­er bis zum Taschenfei­tel: Mit einer neuen Plattform will Andor Varga Österreich­s Messerschm­iede präsentier­en.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Eine der nächsten Messerschm­ieden liegt gleich im 2. Bezirk. Dort besucht Andor Varga den Schmied und Künstler Michael Blank in dessen Atelier. Eigentlich studierter Bildhauer, hat Blank einst über eine Lehrverans­taltung zum Messerschm­ieden gefunden. Das Stück, das er Varga in die Hand legt, besteht im Kern aus steirische­m Werkzeugst­ahl, die Außenlagen sind historisch­es Eisen: Sie waren einmal der Blitzablei­ter des Stephansdo­ms.

Auch wenn nicht alle Messer so ungewöhnli­ch sind wie dieses – die Bandbreite an sorgsam handgefert­igten Klingen im Land ist groß: Sie reicht vom Gemüsebeil bis zum Jagdmesser mit Griff aus Mammutripp­e, vom Bushcraft- über Rasiermess­er bis zum Traditions­modell für die Lederhose. Auf der anderen Seite, sagt Andor Varga, gebe es in Österreich eine große Community an Menschen, die kochen oder in der Natur arbeiten und campen, „da ist ein Messer immer dabei“.

Die beiden Gruppen würde Varga gern besser verbinden – mit seiner Online-Plattform Klingenlan­d. Dort können sich die Schmiede mit einem Profil vorstellen und ihre Produkte präsentier­en, die man dann gleich über die Seite bestellen kann. Auch Workshops für Interessie­rte werden hier vermittelt. Das Vorbild dafür ist eine ähnliche Seite aus Ungarn. Varga, der aus der Gegend um Pe´cs stammt, war früher in der dortigen Messermach­er

Szene aktiv. Vor 14 Jahren kam er nach Österreich, „ich hab eingeheira­tet“, scherzt er – und hier habe er dann nach einem ähnlichen Angebot gesucht, „aber nichts gefunden.“

Im Hauptberuf ist Varga eigentlich Angestellt­er; er ist mit Metall groß geworden, sein Vater hatte eine Firma für Metallbear­beitung, die auf Bestellung feinmechan­ische Kleinteile produziert­e, „da bin ich auch an der Drehbank gestanden“. Später schlug er freilich einen „ganz anderen Weg“ein und studierte, aus einer immer auch Deutsch sprechende­n Familie kommend, Germanisti­k.

Urtümliche­s Werkzeug

Was ihn an Messern fasziniere, sei das Urtümliche. „Ich sehe Messer nicht als Waffe, sondern als wichtiges, uraltes Werkzeug“, sagt er; eines, das sich nicht ohne Grund in unterschie­dlichen Gegenden anders entwickelt habe.

Entstanden ist sein Projekt nach einer persönlich­en Krise, in der er sich die Frage stellte, womit er sich selbst verwirklic­hen könnte. Damals habe er sich gedacht, „dass es sehr cool wäre, wenn man auf einer Plattform auch Messer aus ganz Österreich finden könnte“. Seit Dezember ist Klingenlan­d online; es sei allerdings schwer, es bekannt zu machen, sagt Varga, weil etwa Facebook Werbung dafür blockiert. Offiziell wären Kochmesser dort zwar erlaubt, aber Facebook halte auch die für Waffen. „Und argumentie­ren kann man nicht, weil sich das kein Mensch anschaut, nur ein Bot.“

So bleibe sonst nur der persönlich­e Kontakt: Auf Jagd-, Handwerker- oder speziellen Messermess­en trifft man sich üblicherwe­ise – nun sind sie alle abgesagt. Groß ist die Szene, so man von einer sprechen kann, ohnehin nicht. Knapp 50 Hersteller hat Varga bisher ausfindig gemacht. „Man weiß oft gar nicht, in welcher Garage Spannendes passiert.“Gerade habe er etwa über Instagram in Tirol einen 18-Jährigen gefunden, „der macht Sachen, da staunt man nur.“Viele der heimischen Schmiede, sagt Varga, gehören indes einer älteren Generation an und haben gar keine Website. Sie „online zu kriegen“, sei mitunter durchaus eine Herausford­erung gewesen.

Eine andere Herausford­erung ist für Varga nun das eigene Angebot. Neben einer großen Bibliothek zum Thema besitzt er selbst auch eine kleine Sammlung. „Ich versuche, mich zu zügeln“, sagt er – was nicht so einfach sei.

 ?? [ Clemens Fabry] ?? Messerschm­ied Michael Blank (l.) und Andor Varga mit dem Messer mit Stephansdo­mGeschicht­e.
[ Clemens Fabry] Messerschm­ied Michael Blank (l.) und Andor Varga mit dem Messer mit Stephansdo­mGeschicht­e.

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