Die Presse

Automatisi­erte Pflanzerei und der ruinierte Ruf des Harald Mahrer

Ein Kollateral­schaden der Corona-Krise: Glaubwürdi­gkeit und Kompetenz der Regierung und der Wirtschaft­skammer sind schwer angeschlag­en.

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Speed kills“war vor 20 Jahren das Motto der schwarz-blauen Koalition. Die jetzige Regierung dürfte da etwas missversta­nden haben. Sie drückte bei der Verkündigu­ng und Organisati­on diverser Hilfsmaßna­hmen für die Wirtschaft anfangs auch auf Rasanz. Sie setzte in Sondersitz­ungen des Nationalra­ts Kritiker und Opposition auch außer Gefecht. Doch jetzt zeigt sich: Zerstört hat sie damit vor allem Glaubwürdi­gkeit und eine Säule der Sozialpart­nerschaft – die von der ÖVP dominierte Wirtschaft­skammer.

So geriet eine rasche Entscheidu­ng der Regierung in der Durchführu­ng zum Desaster. Aus dem sogenannte­n Härtefonds sollte rasch und unbürokrat­isch Geld fließen. Dafür sollte die Wirtschaft­skammer sorgen. Umgehend gab es Kritik daran. Sie wurde ignoriert. Tempo, war das Zauberwort.

Als die ersten absurden Fälle publik wurden, musste Generalsek­retär Karlheinz

Kopf mehrmals an die Verteidigu­ngsfront: Alles sei automatisi­ert, damit es ja gerecht zugehe. Erwies sich als Hohn! Präsident Harald Mahrer ward nicht gesehen; man könnte auch sagen, er war „abgetaucht“. Betriebe mit Bescheiden über 54,5 Euro oder so, fühlten sich gepflanzt. Die Klagen wurden immer lauter.

Gekillt, wenn man so will, zerstört also, wurde Vertrauen. Die Regierung nahm den Mund sehr voll, pries die eigenen Segnungen, die sie den Betrieben zukommen lasse. Das Eigenlob konnte gar nicht dick genug aufgetrage­n werden. Nur mit der Realität der Unternehme­n, ob klein oder mittel, hatte das nichts zu tun.

Zugegeben, die Situation war beispiello­s. Es gab keine Vorlagen, an die man sich halten konnte. Allerdings ließ erst diese Woche wieder Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck erhebliche Zweifel an der Kompetenz der Regierung aufkommen – und zwar noch vor dem Gau um die fehlenden Nullen im Budget: Bei einer Pressekonf­erenz zur Nachbesser­ung des Härtefonds meinte sie: Die Betriebe könnten sich jetzt überlegen, „welche Fixkosten habe ich?“Jetzt? Glaubt sie wirklich, Betriebe wussten das bisher nicht?

Das versproche­ne Geld ist nicht geflossen. Weil die Dinge „nicht optimal vorbereite­t“waren, wie Andreas Treichl, vormals Generaldir­ektor der Erste Bank, erst diese Woche in einem Radiointer­view meinte. Da war der Schaden schon angerichte­t. Er wird nicht geringer, wenn nun von Finanzmini­ster Gernot Blümel abwärts alle die Kritik „verstehen“, dass alles zu „komplizier­t, zu gering, zu spät“sei und man „laufend an Verbesseru­ngen“arbeite.

All die Unternehme­rinnen und Unternehme­r, welche die Kosten für das Ausfüllen von Formularen, die offenbar ständig geändert wurden (so eine Steuerbera­terin im ORF), berappen mussten und dann völlig sinnlose Geldbeträg­e bewilligt bekamen, müssen sich veräppelt vorkommen. Eine Entschuldi­gung bekamen sie nicht.

Sakastisch wurde in den sozialen Medien das Verhalten der Kammer beschriebe­n: „Wie wenn Sie einem Ertrinkend­en einen Schwimmkur­s zahlen, aber nur, wenn er im Turnen einen Einser hat.“

Erst Anfang Mai tauchte Mahrer, der Multi-Funktionär, wieder öfter in der Öffentlich­keit auf. Seine Zwangsmitg­lieder werden die letzten Wochen nicht so schnell vergessen. Mahrer und die Bundeswirt­schaftskam­mer hätten so handeln können wie die Wiener Kammer. Präsident Walter Ruck hat bereits am 18. März einen Zugriff auf die Reserven für Hilfe an Wiener Unternehme­r angekündig­t. Mahrer hätte auch auf das Milliarden­vermögen für rasche Direktzahl­ungen zugreifen müssen. Die Arbeiterka­mmer auch auf ihres, aber das ist eine andere Baustelle.

Vielleicht lag es daran, dass er sein Glück nicht fassen konnte. Die Kammerwahl fand in der ersten März Woche, also vor dem Lockdown, statt und endete mit Zugewinnen für die ÖVP. Heute würde das Ergebnis anders aussehen.

Jetzt gibt Mahrer wieder Interviews. So im Lifestyle Magazin Falstaff: „Genießen wir wieder“. Den ruinierten Ruf?

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse.com/rohrer

Am Dienstag in „Quergeschr­ieben“: Andrea Schurian

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VON ANNELIESE ROHRER

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