Die Presse

Quasselsit­zung der Sturköpfe

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DWer traf wen? Welcher Film? Von wem stammte die Romanvorla­ge? Der Privatdete­ktiv; einige Romane?

Qer englische Regisseur freute sich diebisch: Für ein Schnäppche­n von rund 7000 Dollar hatte er soeben den Roman einer jungen texanische­n Autorin samt Rechten erstanden, dem er großes Filmpotenz­ial attestiert­e. Dann begab er sich auf die Suche nach einem passenden Drehbuchau­tor, um das meiste aus der Romanvorla­ge herauszuho­len. Doch das hatte sich der Regisseur viel einfacher vorgestell­t. Geschlagen­e acht Drehbuchau­toren hatten abgelehnt, bevor er durch die Produktion­sfirma Warner Brothers endlich auf einen Kandidaten gebracht wurde, der zuletzt die Drehbücher für die Filme „Frau ohne Gewissen“und „Die blaue Dahlie“verfasst hatte.

Der aus Chicago gebürtige Autor sagte zu – für eine Gage von 2500 Dollar pro Woche. In seinem Haus in La Jolla, Kalifornie­n, meinte er, in Ruhe arbeiten zu können, doch falsch gedacht: Der Regisseur aus London sollte die Klausel, nach der der Schreiberl­ing keinesfall­s verpflicht­et war, das Haus für Besprechun­gen zu verlassen, einfach umgehen, indem er regelmäßig bei ihm aufkreuzte. „Diese gottverdam­mten Quasselsit­zungen habe ich immer schon gehasst“, klagte der Autor vergebens.

Zwei Sturköpfe geraten aneinander, und wenngleich beide künstleris­ch mit Mord und Totschlag auf Du und Du waren, waren es die zwei Männer miteinande­r nicht. Auf einmal drängte der Regisseur auf Resultate, der Autor fühlte sich unter Druck gesetzt. Zugleich liefen bereits die Vorbereitu­ngen für die Dreharbeit­en mit Robert Walker und Farley Granger auf Hochtouren. Was der Autor dem Regisseur schließlic­h an Resultaten überreicht­e, genügte diesem nicht – er ließ diese kurzerhand adaptieren. Der Autor war empört und ließ eine Tirade an Schimpfwör­tern über den Regisseur ergehen, woraufhin dieser nicht lange fackelte und den Autor entließ.

Beleidigt widmete Letzterer sich sodann seinem Schreiben – in seiner Schreibtis­chlade wartete schließlic­h ein cooler Privatdete­ktiv, der sich bereits seit 1939 einer großen Anhängersc­haft erfreut hatte. Der Regisseur fand indes eine andere Drehbuchau­torin, Czenzi Ormonde, und der Film kam 1951 in die Kinos – anfangs unter dem deutschen Titel „Verschwöru­ng im Nordexpres­s“.

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