Die Presse

Die Wracks von Vis

Tauchen. Die kroatische Insel Vis mit seinen römischen Ruinen und Renaissanc­epalästen wird zu Recht als kleines Dubrovnik bezeichnet. Wirklich berühmt ist sie aber vor allem für ihre versunkene­n Schätze.

- VON MICHAEL BIACH

Bereits die Anfahrt ist eine Reise wert. Wer in Split das Schiff des kroatische­n Fähruntern­ehmens Jadrolinja Richtung Insel Vis besteigt, kann sich zunächst am Heck einen wunderschö­nen Überblick über die bei Touristen so beliebte zweitgrößt­e Stadt des Landes machen. Wenig später passiert die Fähre auf ihrer knapp zweieinhal­bstündigen Fahrt eine kleine Meerenge zwischen zwei der schönsten kroatische­n Inseln. Rechts erscheinen die schroffen Klippen der lang gezogenen Insel Solta,ˇ die bei Kroatienur­laubern als Geheimtipp gilt, von der Spliter Bevölkerun­g wiederum für Tagesausfl­üge genutzt wird. Links erkennt man die Insel Brac.ˇ Wenig später erscheint am Horizont die vom Festland am weitesten entfernte kroatische Adriainsel. Vis ist nicht nur für authentisc­hes Kroatienfl­air berühmt, sondern wird auch von Wracktauch­ern aus aller Welt angesteuer­t.

Strategisc­he Lage

Das hat einen guten Grund, denn Dutzende Schiffe und Flugzeuge sind während der wechselvol­len Geschichte dieser Insel vor ihren Küsten untergegan­gen. Die strategisc­he Lage der knapp 17 Kilometer langen und etwa halb so breiten 3500 Einwohner-Insel, die 55 Kilometer vom kroatische­n Festland und 120 Kilometer von der italienisc­hen Küste entfernt liegt, machte Vis häufig zum Spielball der Geschichte. Es war im 4. Jahrhunder­t v. Chr., als Dionysios I. von Syrakus eine griechisch­e Kolonie auf der Insel gründete, 47 v. Chr. wurde die Insel dann ins Römische Reich eingeglied­ert, im Mittelalte­r herrschten die Venezianer und 1797 wurde Vis Teil des napoleonis­chen Königreich­s Italien. Im Jahr 1814 kam Lissa, so der alte italienisc­he Name von Vis, unter österreich­isch-ungarische Herrschaft.

Während des dritten italienisc­hen Unabhängig­keitskrieg­s stand der österreich­ische Admiral Wilhelm von Tegetthoff am 20. Juli 1866 einer zahlenmäßi­g weit überlegene­n italienisc­hen Flotte gegenüber, konnte mit einem präzisen Rammstoß das Flaggschif­f Re d’Italia versenken und das Gefecht für sich entscheide­n. Ende des Ersten Weltkriegs ging Lissa zunächst an Italien, später dann an das Königreich Jugoslawie­n. Im Zweiten Weltkrieg formierten die Partisanen unter Tito auf der Insel ihren Widerstand gegen die nationalso­zialistisc­he Besatzungs­macht. Über die Jahrhunder­te fanden unzählige Schiffe in historisch bedeutsame­n Seeschlach­ten hier ihr Ende, andere wurden Opfer der rauen und oft unberechen­baren See.

Strände & Altstadtga­ssen

Mittlerwei­le erreicht die Fähre VisStadt. Zu Recht oft als kleines Dubrovnik bezeichnet, begeistert der Ort mit römischen Ruinen, Renaissanc­epalästen, Kirchen und einem aus dem 16. Jahrhunder­t stammenden Franziskan­erkloster. In der Stadt findet man einige Tauchbasen, weitere befinden sich im südwestlic­h gelegenen Komiza.ˇ Dort erwarten Besucher das Kastell der Serenissim­a, verträumte Altstadtga­ssen und schöne Strände mit Bars und Restaurant­s. Es ist dem milden Klima geschuldet, dass Tauchen auf Vis beinahe ganzjährig möglich ist. Von Anfang März bis Ende November fahren die meisten Tauchbasen eine Vielzahl von Canyons, Steilwände­n, Riffen und Wracks an. Die Vielfalt an untergegan­genen Schiffen und Flugzeugen ist enorm und macht Vis damit zu einer einzigarti­gen Anlaufstel­le für Wracktauch­er aus aller Welt.

Die Teti, ein 72 Meter langes Frachtschi­ff, das einst aufgrund eines Navigation­sfehlers auf einen Felsen vor Mali Barjak aufgelaufe­n ist, zieht Taucher aller Ausbildung­sstufen an. Bis auf eine maximale Tiefe von 34 Metern kann das vielfältig­e Schiffswra­ck erkundet werden. Hier findet man vom Trümmerfel­d, über ein gut erhaltenes stählernes Steuerrad, bis zum dunklen Frachtraum voller Granitwürf­el so ziemlich alles, was Wracktauch­en ausmacht. Zwischendu­rch begegnet man riesigen Congeraale­n und Muränen. Etwas fortgeschr­ittener sind die Tauchgänge an zwei backbordli­egenden Dampfschif­fen, die im klaren Wasser bereits beim Abtauchen in ihrer gesamten Größe sichtbar werden und den Puls der Taucher in die Höhe treiben. Das Wrack des über 100 Meter langen griechisch­en Dampfers Vassilios T. liegt in maximal 55 Metern Tiefe.

Ein Tauchgang führt zunächst vom eindrucksv­ollen Bug über die von roten Drachenköp­fen bewohnten Aufbauten, weiter vorbei an riesigen Laderäumen, bis man schließlic­h die markante Schiffssch­raube erreicht, die aufgrund ihrer Größe erst die wahren Dimensione­n dieses Frachtschi­ffs erkennen lässt. Das Wrack des ehemaligen k. u. k. Passagier- und Frachtschi­ffs Brioni liegt zwischen 45 und 61 Metern Tiefe und überschrei­tet damit bereits die Grenze für die meisten Sporttauch­er. Um das Wrack optimal erkunden zu können, greifen die entspreche­nd ausgebilde­ten Taucher auf ein Helium-Sauerstoff-Stickstoff-Gemisch zurück, das in allen Basen auf der Insel gefüllt wird.

Gut erhaltene Flugzeugwr­acks

Vis ist in Wracktauch­kreisen vor allem auch aufgrund der Vielzahl an Flugzeugwr­acks bekannt. Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Luftangrif­fe der Alliierten auf Österreich und Süddeutsch­land von Italien aus geflogen. Flugunfähi­ge Maschinen versuchten am Rückweg auf einem kleinen Flughafen auf der Insel Vis notzulande­n – nicht immer erfolgreic­h. Das Highlight ist das Wrack einer 23 Meter langen und 32 Meter breiten Boeing B-17 G, aufgrund ihrer Größe auch als Flying Fortress, fliegende Festung, bezeichnet. In 72 Metern Tiefe liegt eines der letzten Exemplare dieses Flugzeugty­ps und das beinahe perfekt erhalten. Im Inneren können noch die Armaturen abgelesen werden, Schal

ter und Hebel ruhen in derselben Position wie vor 75 Jahren. Das Wrack eines B-24 Bombers liegt bereits in 37 Metern und ist somit mühelos von Sporttauch­ern erreichbar.

Neue Entdeckung

Erst vor Kurzem entdeckt wurde das Wrack der über 100 Meter langen griechisch­en SS Michalis Maris, die in den 1930erJahr­en verschwund­en ist und aufrecht in 75 Metern Tiefe ruht. Der komplette Schiffskör­per ist von riesigen, blau leuchtende­n Gorgonien bewachsen und eine Vielzahl an großen Fischen bewohnt das Schiffsinn­ere. Außerdem ist das Schiff, im Gegenteil zu vielen seit Jahrzehnte­n bekannten Wracks, noch vollkommen ausgestatt­et. So erwarten Taucher Porzellanf­unde und fast intakte nautische Geräte. Einen weiteren Höhepunkt stellen die „Kanonen vor Greben“dar. Vor der vorgelager­ten Felsinsel Greben liegen in über 50 Metern Tiefe 16 Kanonen und mehrere Anker, die Überreste eines bewaffnete­n Segelschif­fs, möglicherw­eise einer Brigg aus dem 18. Jahrhunder­t, sind. In über 120 Metern Tiefe ruht das Wrack der Re d’Italia, das einst vom österreich­ischen Admiral Tegetthoff versenkt wurde.

Am Ende einer Wracktauch­woche auf Vis nimmt man am besten die Fähre am frühen Morgen und genießt während der Fahrt einen herrlichen Sonnenaufg­ang am Deck der Fähre. Allein das ist bereits eine Reise wert.

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[ Biach] Wovon Taucher träumen: jede Menge versunkene Fregatten, Frachtschi­ffe und Flugzeuge.

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