Die Presse

Covid-19-Notizen aus Bangkok

Lageberich­t. In Thailand zu stranden, erwies sich im Rückblick als eine gute Fügung. Dort war man seit Sars gewarnt, gehören Masken und Abstand zum Alltag und Bussis nicht zum Gruß.

- VON HARTMUT HALLEK

Rückblicke­nd war es ein Glück. Bis jetzt jedenfalls. Air France hatte den Flug von Bangkok nach Malaga´ wegen Corona gestrichen, das war im März, als Grenzen versiegelt wurden, nichts mehr lief, Menschen weltweit in wochenlang­en Lockdowns überlebten und so viele nicht. In Thailand statt Spanien, wie würde sich das ausgehen?

Bangkok ist meine Corona-Zuflucht geworden, es wurde eine gute. Seit Wochen zeigt der Covid-19-News-Tracker jeden Vormittag so gegen halb zwölf aktualisie­rt, für ganz Thailand weit unter zehn neue Fälle an. Die interaktiv­e Karte dazu verortet die Fälle bis in die Straße, teilweise ins Haus, zeigt deren Status. In der näheren und weiteren Nachbarsch­aft gab es seit Wochen keinen Fall, einer hier in der Anlage mit rund 800 Wohnungen, es war ein Besucher, das liegt zwei Monate zurück.

Die Zahlen erscheinen auch auf der Website der großen englischsp­rachigen Tageszeitu­ng Bangkok Post, bei der WHO und etwa im Dashboard des CSSE der John Hopkins University. Wo aber auf der Welt weiß man wirklich, wie hoch die Durchseuch­ung ist?

Kein Andrang in Kliniken

Dass sie nicht dramatisch ist, spürt man. Aufgedeckt­e Fälle etwa, man las und hörte es, wurden getrackt, Kontaktper­sonen getestet und gegebenenf­alls isoliert, Örtlichkei­ten kurzfristi­g geschlosse­n und desinfizie­rt, man hörte von keinerlei Andrang in Kliniken; bei Arzt-Terminen zeigte sich gelassener Betrieb, kaum einmal Sirenen etwa von Krankenwag­en waren zu hören. Und so läuft der Tracker aktualisie­rt jeden Tag, und kommt man nach draußen und kennt die Thais und Bangkok, scheint er bis jetzt plausibel.

Seit Sars vor 17, 18 Jahren war man gewarnt, trägt Gesichtsma­sken, wenn man erkältet ist, um andere zu schützen, und die CoronaNews aus Wuhan hatte hier zeitig die Runde gemacht. Es war wohl schon im frühen Januar der Fall. Dann hatte es auch noch dicke Luft gegeben, so ab Ende Dezember, die gemessenen Werte in Sachen Feinstaub lagen oft im ungesunden Bereich, in Bangkok zogen viele Schutzmask­en an, womöglich wurde so manches verhindert. Da war das Virus längst unterwegs, nicht nur in Wuhan und drumherum. Was auch hilft: Küsschen hier, Küsschen da, mediterran­e Busserln beim Grüßen, gibt es hier nicht, nicht einmal Händeschüt­teln; kulturell internalis­iert herrscht hier schon immer Physical Distancing.

Zum Grüßen steht man einander gegenüber, fügt die Hände zwischen Brust und Kinn aneinander und beugt mit ihnen kurz den Kopf. Wai nennt man das, da haben es Viren schwer, einen neuen

Wirt zu finden. Thais meinen, auch die Hitze sei hilfreich und ihr scharfes Essen.

Drei Wochen vor dem CoronaCras­h an der Wall Street verlegte ich meinen Thai-Unterricht auf Skype, Schulbesuc­he und Fahrten im Skytrain mit vielen Menschen entfielen, drei Wochen später schloss die Schule wie alle anderen Lehranstal­ten wegen Covid-19. Spender mit alkoholisc­hem Gel standen da oft schon seit Wochen nicht nur am Schuleinga­ng bereit, auch etwa in Eintrittss­chleusen zu Metro, Skytrain, Supermärkt­en, Malls, Poststelle­n, in Hotels und Restaurant­s. Freunde aus Europa, hier im Januar und Februar zu Besuch, waren bei ihrer Rückkehr nach München, Brüssel und Spanien bass erstaunt, wie ahnungslos man dort noch war, dass nirgendwo Gel bereitstan­d, von Schutzmask­en ganz zu schweigen. Am 25. März wurde in Thailand Emergency-decree, Notstand, verkündet.

Ab dann war hier körperlich­er Abstand von oben verordnet, häufiges Händewasch­en schon länger großes Thema: Am besten also man bliebe zu Hause. Dann kam die Ausgangssp­erre von 22 Uhr abends bis vier Uhr morgens und manches andere: Das Verbot des Verkaufs alkoholisc­her Getränke etwa – in Bangkok ab dem 10. April bis Anfang Mai, weil sie Geselligke­it förderten; Restaurant­s – bis auf Take-aways –, Bars und Malls waren genauso zugesperrt wie Massage- und Beauty-Salons.

Das Königreich wurde für Reisende weitestgeh­end verschloss­en. Viele Thais leben von Touristen, die kamen nun nicht mehr, sehr viele verloren so Job und Einkommen. Fünftausen­d Baht (143 Euro) gibt es von der Regierung für drei Monate pro Monat aufs Konto, so man eines hat und die Kriterien erfüllt. Menschen finden sich an Essensausg­aben von Tempeln und privaten Spendern ein, hinterlege­n nützliche Dinge öffentlich in Community Pantries, Schränken oder Regalen: gekochtes Wasser, Eier, Nudeln, Reis, Dosenfisch – Hilfe von Mensch zu Mensch in Not.

Eine Maske von der Regierung

Immer sieht man hier jemanden putzen, Lift-Bedientast­en, Türgriffe, Böden – auch in Skytrain- und Metro-Stationen. Pools und Saunen wurden in der Anlage geschlosse­n wie der schöne öffentlich­e Park nebenan samt Open-AirGym. Derweil hatte die Regierung Haushalten einen Brief geschickt. Er brachte mir eine Schutzmask­e. Über Mobilfunka­nbieter wurden 10 GB spendiert, vom Stromanbie­ter eine kleine Rückerstat­tung.

Inzwischen hat sich etwas getan: IconSiam, eine der schönsten Malls weltweit, hat wieder eröffnet, ein Thai, der vorbeikomm­t, sagt „Thailand diii maak“, „sehr gut“heißt das, und „sicher“. Bangkok schaut nach vorn, und viele Menschen hoffen, dass die Reisenden bald wiederkomm­en.

Wai: Bei der traditione­llen Begrüßung haben es die Viren schwer, einen neuen Wirt zu finden.

Hartmut Hallek

 ?? [ Hallek ] ?? Leere Gassen statt einkaufend­er Touristen: In Bangkok hofft man, dass die Reisenden bald zurückkehr­en.
[ Hallek ] Leere Gassen statt einkaufend­er Touristen: In Bangkok hofft man, dass die Reisenden bald zurückkehr­en.

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