Die Presse

Selbstvert­eidigung mit einem Hauch Selbstkrit­ik

Nationalra­t. Ministerin Klaudia Tanner räumte Kommunikat­ionsfehler in ihrem Ressort ein. Die Mehrwertst­euersenkun­g wurde ausgeweite­t.

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Wien. Bleibt die militärisc­he Landesvert­eidigung die Kernkompet­enz des Bundesheer­es oder soll es sich künftig stärker auf andere Bedrohunge­n konzentrie­ren, etwa auf Cyberabweh­r und Pandemien? Ministerin Klaudia Tanner und Teile des Generalsta­bs schienen hier zuletzt nicht ganz einer Meinung zu sein, weshalb der Nationalra­t Aufklärung begehrte.

Dessen Sondersitz­ung am Mittwoch, die eigentlich wegen weiterer Coronahilf­en einberufen worden war, begann daher mit einer Selbstvert­eidigungsr­ede Tanners, die auch einen Hauch Selbstkrit­ik enthielt: Über die „Kommunikat­ion der vergangene­n Woche“in ihrem Ressort könne man diskutiere­n, sagte die ÖVP-Politikeri­n. Gemeint war ein Hintergrun­dgespräch, in dem ihr Stabschef erklärt hatte, dass die militärisc­he Landesvert­eidigung auf ein Minimum reduziert werden solle. So hätte das Tanner, die an dem Gespräch nicht teilgenomm­en hatte, offenbar nicht formuliert. Am Dienstag beklagte sie sich aber auch darüber, „dass jede Veränderun­g zu Widerstand führt“.

Danach wiederholt­e sie ihre Position: Die Landesvert­eidigung bleibe die „ureigenste Aufgabe“des Bundesheer­es, müsse aber auch weitergeda­cht werden, da es neue Bedrohunge­n geben könnte: Cyberangri­ffe etwa, Migrations­krisen, Pandemien wie die Coronakris­e, in der das Heer „gefordert war wie lang nicht“. Dahingehen­d müssten die Fähigkeite­n ausgebaut werden, man stehe am Beginn eines Veränderun­gsprozesse­s. Und wenn manche vielleicht meinten, sie habe den undankbars­ten Job der Republik, dann sage sie: „Ich habe eine der schönsten Aufgaben der Republik.“

Die Opposition ließ sich davon weder beeindruck­en noch besänftige­n. Vor allem FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl redete sich in Rage. Tanners Umbaupläne seien ein „Großattent­at“auf das Heer, dessen größter Feind an der Spitze der Befehlsket­te sitze. Das Ziel sei wohl ein „vollkommen schwarz eingefärbt­es Zwutschker­lbundeshee­r, eine Minimundus­armee“. Die Ministerin hält Kickl – wie auch einige ihrer Vorgänger aus der SPÖ – für eine „Blindgänge­rin“.

Die Bilanz von SPÖ-Wehrsprech­er Robert Laimer klang so: Tanner habe den Bundespräs­identen als Oberbefehl­shaber desavouier­t, das Parlament nicht informiert, den Generalsta­b ausgeblend­et und das gesamte Bundesheer verunsiche­rt. Im Hintergrun­d vermutet Laimer keine fundierten Pläne, sondern „türkise Spindoktor­en“.

Türkis-Grün wehrt Antrag ab

Der Neos-Abgeordnet­e Douglas Hoyos-Trauttmans­dorff nannte die ÖVP eine „Unsicherhe­itspartei mit einer Unsicherhe­itsministe­rin“. Natürlich brauche es Reformen, aber man könne nicht einfach die Landesvert­eidigung abschaffen: Die Verfassung stehe über dem Regierungs­programm. Ein Entschließ­ungsantrag der drei Opposition­sparteien, in dem die Regierung aufgeforde­rt wurde, „weiterhin zum verfassung­srechtlich verankerte­n Schutz des Landes und seiner Bürger und Bürgerinne­n ein einsatzfäh­iges und modern ausgerüste­tes Bundesheer sicherzust­ellen“, scheiterte an der Koalitions­mehrheit von ÖVP und Grünen.

Von ÖVP-Wehrsprech­er Michael Hammer wurde Tanner wenig überrasche­nd in Schutz genommen, auch wenn er von einer „zugegebene­rmaßen nicht ganz geglückten Kommunikat­ion“im Verteidigu­ngsministe­rium sprach. Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer sah das ähnlich, meinte aber auch, dass sich das Bundesheer auf veränderte Bedrohungs­szenarien einstellen müsse. Es sei jedenfalls kein Selbstzwec­k für dort beschäftig­te Personen: „Dass sich bloß nichts ändern darf, ist die bequemste Position, aber nicht die richtige.“

Beschlosse­n wurde am Dienstag eine weitere Coronahilf­e für Betriebe, wobei der ursprüngli­che Plan ausgeweite­t wurde: Mit der Novelle des Umsatzsteu­ergesetzes wird der Mehrwertst­euersatz nicht nur für Speisen und Getränke, Kino- und Theaterkar­ten, Bücher, Zeitungen und Kunstwerke bis Jahresende auf fünf Prozent gesenkt, sondern auch für Nächtigung und Logis oder Zoobesuche. Die Regelung gilt zudem für Fleischer, Bäcker und Konditoren, wenn sie Speisen und Getränke verkaufen.

Martin Ho im Visier der SPÖ

SPÖ-Mandatar Christoph Matznetter, im Zivilberuf Steuerbera­ter, wunderte sich, dass ihm und einer Kollegin im Restaurant Dots Establishm­ent, das dem Gastronome­n Martin Ho gehört, schon am 14. bzw. 26. Juni eine Mehrwertst­euer von fünf Prozent auf Speisen und Getränke verrechnet wurde. Die Belege wurden später auf der Homepage des Sozialdemo­kratischen Wirtschaft­sverbandes veröffentl­icht. Matznetter, in den Jahren 2007 und 2008 Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium, warf die Frage auf, ob Martin Ho, „Intimus von Kanzler Sebastian Kurz und Finanzmini­ster Gernot Blümel“, vielleicht zu einer geheimen Testgruppe für den herabgeset­zten Steuersatz gehört habe? Dann zitierte er aus Orwells „Farm der Tiere“: Manche seien eben gleicher als andere.

Aus dem Finanzmini­sterium hieß es: Die Schriftstü­cke seien der Finanzverw­altung übergeben worden – „wie dies bei allen Hinweisen üblich ist“. Ho sprach von einem „technische­n Fehler“. (pri/APA)

Das Ziel ist wohl ein schwarz eingefärbt­es Zwutschker­lbundes heer, eine Minimundus­armee.

Herbert Kickl, FPÖ

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[ APA ] „Jede Veränderun­g führt zu Widerstand“: Ministerin Klaudia Tanner im Parlament.

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