Eine Tragödie mit viel Humor
Perchtoldsdorf. Bei den Sommerspielen flocht Regisseurin Veronika Glatzner viel Humor in Shakespeares Tragödie ein. Das Publikum freute sich an der jugendfrischen Aufführung.
Eine jugendfrische Aufführung von Shakespeares „Romeo und Julia“bei den Sommerspielen in Perchtoldsdorf.
Warm anziehen war angesagt bei der Premiere von Shakespeares „Romeo und Julia“Mittwochabend vor der Burg in Perchtoldsdorf. Sommerspiele-Intendant Michael Sturminger, auch Regisseur des Salzburger „Jedermann“, hat die Inszenierung an Veronika Glatzner abgegeben. Diese zeigt die Bandenkriege aus weiblicher Perspektive. Das selbstmörderische Imponiergehabe der Männer zur Eröffnung des Abends ist eine der gelungensten Szenen. Wer sich aus der Keilerei heraushalten will oder gar verliebt ist, hat das Nachsehen. Und ein Mädchen wie Julia, das sich gegen den Vater auflehnt, wird verstoßen, selbst wenn es das einzige Kind ist. Die Atmosphäre in dieser Gesellschaft ist schrecklich. Glatzner wahrt trotzdem Humor. Immer wieder gibt es heitere Momente, wenn etwa der Diener die Einladungsliste nicht lesen kann und sich die Gäste nach ihren Marotten einprägt. Die Kampfszenen sind virtuos einstudiert – und etwas lang geraten.
Valentin Postlmayrs Romeo ist ein schlichter Bursch, der das Glück sucht, viel echte Zärtlichkeit verströmt und in der Balkonszene für Slapstick sorgt. Auch Lena Kalischs Julia besticht mit kunstloser Geradlinigkeit. Dieses Liebespaar zelebriert nicht – wie’s öfter vorkommt – egomanische Monologe, die beiden spielen zusammen und sie gehen sehr warmherzig miteinander um.
Über die erlesenste Sprachkunst verfügt allerdings Karl Walter Sprungala als Bruder Lorenzo. Das Ensemble überzeugt, fast jeder bekommt seinen großen Auftritt, die größte gestalterische Spannweite bewältigt bravourös Marie-Christine Friedrich als bauernschlaue Amme und als Fürst, hier eine leidgeprüfte Fürstin. Herrlich: Raphael Nicholas als Tybalt und als Diener, Emanuel Fellmer als wilder, anarchischer Mercutio, unerbittlich und selbstgefällig, ein rechtes Aas ist Julias Vater Capulet (Roman Blumenschein).
Über die Textfassung lässt sich streiten, Angelika Messner hat übersetzt, Mitarbeit: Sturminger, Martina Theissl. „Spitzt die Ohren!“, heißt es da und das melancholische Schlusswort ist umgeschrieben. Wie beim Salzburger „Jedermann“wird durch die Veränderungen einiges zeitgemäßer ausgedrückt, doch auf Kosten der Poesie.
Den Groove brauchte der „Jedermann“
Die Aufführung hat viel Leichtigkeit, aber auch die Tragödie berührt – und nach der langen Zeit war wohl mancher einfach glücklich, unter dem Mond im Freien vor einer Bühne zu sitzen. Das Beladene, Gravitätische und Verzwickte des „Jedermann“fehlt. Natürlich sollte man das Salzburger Heiligtum nicht mit Sommerspielen vergleichen. Aber man tut es doch und wünscht Hofmannsthals edler Antiquität mehr von dem Witz, der Selbstverständlichkeit dieser „P’dorfer“Aufführung, die Groove hat. Bestens gelaunt wandern die Spieler auf ihren traditionellen Pfaden. Sie schwänzen nicht das Shakespeare-Theater, im Gegenteil, sie kennen sich damit aus. Aber sie lassen sich nicht vom Anspruch niederwalzen.