Auf der Suche nach Verantwortlichen für Beiruter Inferno
Libanon. Was geschah in Halle 12 des Beiruter Hafens, wo vor der gewaltigen Explosion zunächst ein Feuer ausgebrochen war? Libanons wütende Bevölkerung verlangt eine Antwort darauf. Mittlerweile wird auch der Verdacht laut, die Schiiten-Miliz Hisbollah kö
Tunis/Beirut. Auf ihrem letzten Foto strahlten die Feuerwehrleute in dem Minibus gut gelaunt in die Kamera. Brand im Hafengelände, das zehnköpfige Team glaubte sich am Dienstagnachmittag auf einem Routineeinsatz. Sie versuchten, mit einer Brechstange das schwere Eisentor der Halle 12 zu öffnen, um an den Brandherd heranzukommen.
Plötzlich explodierte die Halle neben dem gigantischen Getreidesilo. Eine erste Säule aus grauweißem Rauch schoss in den Himmel. Zahlreiche kleinere Blitze sind auf Handyvideos von Augenzeugen zu sehen. Kaum 30 Sekunden später dann verwandelte ein orangeroter Mammutpilz von 2750 Tonnen Ammoniumnitrat halb Beirut in ein Trümmerfeld. 137 Tote wurden bis Donnerstag geborgen, darunter die zehn Feuerwehrleute. Mehr als 5000 Menschen wurden verletzt, 300.000 verloren ihre Wohnungen.
Und so konzentriert sich die Wut der Libanesen jetzt vor allem auf die Frage, wer die Verantwortung für die Katastrophe trägt.
Zum einen geht es darum, warum eine solch gigantische Menge Ammoniumnitrat über sechs Jahre hinweg im Hafen deponiert wurde und niemand einen Finger rührte, diese tödliche Gefahr zu entschärfen. Zum anderen geht es darum, was genau in Halle 12 geschah, warum ein Feuer ausbrach und ob dort noch anderes Explosivmaterial gelagert war, das die Katastrophe dann auslöste.
Bis am Montag gab Libanons Regierung der nationalen Untersuchungskommission Zeit. Sämtliche Verantwortliche des Hafens, die sich der Gefahr in Halle 12 seit Jahren bewusst waren, wurden unter Hausarrest gestellt. Sie alle gelten als hoch korrupt.
Hisbollah beherrscht die Kais
Heimliche Herrscherin an den Kais ist die Schiitenmiliz Hisbollah. Die Schmiergelder der Importeure machten den Beiruter Hafen zu einer der lukrativsten Einnahmequellen des Landes.
Der Chef der Zollbehörde, Badri Daher, dagegen reklamierte für sich in einem TVInterview, zwischen 2014 und 2017 in sechs Briefen an die Justiz vor den Gefahren gewarnt zu haben. Er habe einen Export des Ammoniumnitrats, eine Übergabe an die Armee oder einen Verkauf an die private Lebanese Explosives Company vorgeschlagen, ohne je eine Antwort zu erhalten. Seit Mittwoch werden die für Beirut bestimmten Schiffe zu dem wesentlich kleineren Hafen von Tripoli umgeleitet. Nach Informationen der Zeitung „L’Orient – Le Jour“hat dort nach dem Beiruter Unglück bereits der Streit zwischen den Clans begonnen, wie künftig die Schmiergelder für die zusätzlichen Beirut-Container verteilt werden sollen.
Er habe keine Ahnung, was das erste Feuer ausgelöst habe, sagte der Generaldirektor des Hafens, Hassan Koraytem. Und er fügte hinzu: Es sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, nach Schuldigen zu suchen. „Wir erleben eine nationale Katastrophe.“Libanons Innenminister, Mohammed Fahmi, erklärte, man brauche bei den Ermittlungen keine Unterstützung internationaler Experten. Das nährt den Verdacht, dass sich in Halle 12 möglicherweise auch ein Waffenlager der Hisbollah befand, von dem die Katastrophe ihren Ausgang nahm. Die US-Regierung allerdings stellte klar, dass sie nicht von einer Initialzündung durch eine Bombe oder durch einen Luftangriff ausgeht.
Internationale Ermittlungen gefordert
Die Umstände, die zu der Detonation des gelagerten Materials führten, seien bisher nicht klar, schrieb Human Rights Watch. Angesichts des „vielfachen Versagens der Verantwortlichen, schwere Versäumnisse der Regierung aufzuklären, und angesichts des öffentlichen Misstrauens in staatliche Stellen“forderte die Menschenrechtsorganisation internationale Ermittlungen. Dies sei „die beste Garantie, dass die Opfer der Explosion die Gerechtigkeit bekommen, die sie verdienen“.
Die am Dienstag herbeigerufenen Feuerwehrleute waren ahnungslos. Keiner der Verantwortlichen hielt es offenbar für nötig, sie auf das hochgefährliche Ammoniumnitrat am Brandort hinzuweisen. „Diese Feuerwehrleute verloren ihr Leben, als sie versuchten, das Leben anderer zu schützen. Bewahrt ihre Gesichter im Gedächtnis“, schrieb jemand unter ihr Foto auf Twitter.