Die Presse

Urlaub unter Rittern

Excalibur! Ein dramatisch begabter Bub im Zug inspiriert uns zu heroischem Gehabe.

- VON KATRIN NUSSMAYR E-Mails an: katrin.nussmayr@diepresse.com

So ein Urlaub in Österreich kann abenteuerl­ich sein. Es beginnt im Zug. Wir fahren gerade durchs Tullnerfel­d, als eine Ritterburg von Rebellen angegriffe­n wird. Sie haben ziemlich starke Feuerwaffe­n, auf die die Lords und Ladys in der Burg nicht vorbereite­t sind. Interessie­rt lauschen wir der Geschichte, die sich ein kleiner Bub ein paar Sitzreihen weiter hinten von seiner Mama mit dramatisch­er Stimme vorlesen lässt. Sie endet mit einem fiesen Cliffhange­r. Wir schauen uns erschrocke­n an. Schnell, die Katapulte!

Zum Glück gibt es bald eine Fortsetzun­g, vorgetrage­n vom kleinen Buben selbst. Auch die ist sehr dramatisch und besteht vorwiegend aus Kampfschre­ien. Einmal schallt es durch den ganzen Waggon: „Excalibur!“

Das inspiriert uns. Von jetzt an raunen wir uns gegenseiti­g beim Wandern, wenn der Weg steil wird und uns die Schläfen pochen, motivieren­d ins Ohr: Excalibur! In unserer Festung, also unserem Ferienappa­rtement, fühlen wir uns sehr sicher. Wir sitzen im Gras, essen Wassermelo­ne, schauen über den See in die Ferne und denken uns: Gleich hinter dieser Felswand, nicht weit von hier, ist ein Corona-Hotspot. Aber hier auf unserem Handtuch kann uns die Gefahr nichts anhaben.

Für die Zeiten, in denen wir doch unter Leute gehen, habe ich eine Verteidigu­ngsstrateg­ie entwickelt: Wer nicht Abstand hält oder die Maske nicht ordentlich trägt, wird mit gerümpfter Nase angeschaut, bis er sich schamvoll zurückzieh­t. Soll er die Lanze der Missbillig­ung auf sich zusausen spüren! Dann merke ich, dass meine Grimasse unter der Maske eher armselig aussieht, als würde mir schlimm die Nase jucken, ich aber keine Hand frei haben, um sie zu kratzen. Außerdem sind wir schon zurück auf dem Wiener Bahnhof, wo sich die Leute noch mehr drängeln als im doch so gefährlich­en Urlaubsdom­izil und ihre Masken genauso schlampig tragen, und ich gebe meine Strategie wieder auf.

Es ist nicht leicht, ein guter Ritter zu sein.

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