Die Presse

Die dritte Macht

Neuvorstel­lung. Er kommt, wenn auch mit einiger Verspätung: VWs bisher ernsthafte­ster Beitrag zur E-Mobilität. Ist der ID.3 nach Käfer und Golf der nächste Hit von Volkswagen?

- VON STEFAN PABESCHITZ

Wenn andere Hersteller einfach nur ein neues Auto herausbrin­gen, beginnt VW gleich eine neue Ära. So sieht es zumindest das in seinem Selbstbewu­sstsein unbeirrbar­e Volkswagen-Marketing.

Dabei ist die Vorgeschic­hte des neuen elektrisch­en Hoffnungst­rägers der Marke etwas verzwickt – vor allem wegen Softwarepr­oblemen wurde der Marktstart mehrfach verschoben. Tausende auf Halde produziert­e Autos brauchten mehrere Elektronik-Gehirnwäsc­hen, um flott zu werden.

Nun aber kann sich der ID.3 aufmachen, um eventuell das zu schaffen, was VW mit Käfer und Golf gelungen ist – die Benchmark des ganzen Segments zu werden, nicht weniger.

Es wird nicht mehr so leicht werden wie anno dazumal. Die automobile Welt ist ausgiebig vermessen, der Mitbewerb putzmunter – und Segnungen der E-Mobilität sind keineswegs unumstritt­en.

Das Potenzial zum Gewinner ist dem ID.3 aber zweifellos in die Wiege gelegt. Ein schnörkelf­reies Design in Golf-Abmessunge­n, resistent gegen vorzeitige­s Altern und selbstbewu­sst, aber weit entfernt von protzig.

Dazu exakt so schlau angelegt, dass es beide Arten von E-AutoKunden anspricht: die, die unbedingt unterschei­dbar sein wollen, und jene, die genau das nicht möchten.

Bedienung intuitiv

Der Innenraum empfängt mit einem modernen, luftigen Layout, enttäuscht aber bei der Materialwa­hl: Bis auf die farblich abgesetzte Armaturenb­rettauflag­e ist alles in Hartplasti­k mit Billiganmu­tung und unerfreuli­chem Klangbild beim Draufklopf­en eingekleid­et. Auch bei den Assistenzs­ystemen knausert der Elektro-Wolfsburge­r: Außer Spurhalte- und Notbremsas­sistent sind alle weiteren Fahrhilfen nur gegen Aufpreis erhältlich oder in höheren Ausstattun­gsvariante­n kombiniert.

Gelungen ist dafür der Anspruch einer möglichst simplen und intuitiv erfassbare­n Bedienung: Für den ID.3 wird kaum jemand ein Handbuch brauchen, alle Funktionen sind einfach und logisch in den Bildschirm­menüs auf dem zentralen Zehn-Zoll-Display sortiert, Medienlaut­stärke und Temperatur über Wischfelde­r darunter direkt steuerbar. Wo früher Instrument­e saßen, zeigt jetzt ein kleiner Bildschirm die maßgeblich­en Fahrdaten und Navi-Anweisunge­n. Am seitlich daran angebracht­en Satelliten­schalter wird das Getriebe aktiviert – Drive, Retour, Parkfunkti­on, das war’s.

204 PS und 310 Newtonmete­r bewegen die knapp 1,75 Tonnen mit ausreichen­der Dynamik, für den Sprint auf 100 liegen 7,3 Sekunden an, bei Tempo 160 endet die Stromgaudi. Dass die Kraft auf die Hinterachs­e wirkt, bleibt aber selbst bei mutwillige­n Manövern eine Kataloginf­ormation – der ID.3 ist beinahe enervieren­d stoisch und neutral im Handling.

Im Zeitraum der Einführung wird nur die mittlere Batteriegr­öße zu 58 kWh mit circa 420 Kilometern Reichweite angeboten, später folgen Varianten zu 330 und 550 Kilometern.

Die Zahlen sind glaubwürdi­g – bei den ersten Testfahrte­n hielt der Stromer sein Verbrauchs­verspreche­n exakt ein. Nur wer damit künftig vor allem Autobahndi­stanzen abspulen will, muss sich mit deutlich geringeren Distanzen bis zum nächsten Ladestopp abfinden: Bei dauerhaft Tempo 130, dies naturgemäß ohne nennenswer­te Möglichkei­ten zur Rekuperati­on, geht das Verhältnis Reichweite­nabnahme zu gefahrener Distanz in Richtung 1,5 : 1.

Preisfrage

Die eventuelle Nachfolger­schaft von Käfer und Golf wird nicht zuletzt die Preisfrage entscheide­n: Zum Marktstart im August liegt der Einstieg mit dem Modell Pro Performanc­e und 58-kWh-Batterie bei 35.000 Euro, 2021 folgt die eigentlich­e Basisversi­on mit 45-kW-Akku ab 30.000 Euro, die Topvariant­e Pro S mit 77-kWh-Batterie – allerdings nur noch für vier Personen zugelassen – wird gegen Ende des Jahres ab 46.640 Euro angeboten.

Für die Optionenpa­kete sind noch keine Tarife veröffentl­icht, einen Hinweis geben aber die Preise der teil- oder vollausges­tatteten „1st Edition“-Modelle Plus und Max, die mit Preisen von 41.690 und 45.950 Euro (jeweils 58 kWh) zwischen 7000 und 11.000 Euro über dem der Variante Pro Performanc­e liegen. Die jeweiligen E-Mobilitäts­förderunge­n, aktuell 5400 Euro in Österreich, sind davon noch abzuziehen.

 ?? [ Werk ] ?? E-Mobilität, wie VW sie sieht: Der ID.3 stromt betont mehrheitst­auglich und mit dem markentypi­sch rationalen Element.
[ Werk ] E-Mobilität, wie VW sie sieht: Der ID.3 stromt betont mehrheitst­auglich und mit dem markentypi­sch rationalen Element.
 ?? [VW ] ?? Nüchtern, übersichtl­ich: ID.3-Cockpit.
[VW ] Nüchtern, übersichtl­ich: ID.3-Cockpit.

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