Das Doppelleben des Juan Carlos
Spanien. Der frühere Monarch könnte sich nach Abu Dhabi abgesetzt haben. Sein Verschwinden war laut Medien eine gut geplante Geheimoperation. In der Bevölkerung wächst die Empörung.
Madrid. Nach dem Abtauchen von Juan Carlos Anfang der Woche gibt es weiterhin keine Gewissheit über den Aufenthaltsort von Spaniens König im Ruhestand, der wegen Korruptions- und Steuerbetrugsvorwürfen in seinem Land in Ungnade gefallen ist. Das beharrliche Schweigen des Königspalastes und der Regierung führt dazu, dass immer neue Spekulationen auftauchen. Die neueste Theorie lautet, dass sich der alte König in einem Luxushotel in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, aufhalten könnte.
Wenn stimmt, was die dem Königshaus nahestehende Zeitung „ABC“berichtet, dann ist das Verschwinden Juan Carlos eine gut geplante Geheimoperation gewesen. Demzufolge flog der 82-Jährige am Montagmorgen vom Flughafen der westspanischen Stadt Vigo in einem Privatjet nach Abu Dhabi. Um eine spätere Nachverfolgung der Strecke des Bombardier-Jets Global 6500 zu erschweren, sei der bei den Behörden angemeldete Flugplan nachträglich geändert worden.
Ein schmerzhafter Rauswurf
Das Flugzeug sei von Paris gekommen und habe auf dem Airport in Vigo Juan Carlos und vier Leibwächter aufgenommen. Dann sei der gemietete Luxusjet nach Abu Dhabi weitergeflogen. Auf dem Flughafen Abu Dhabis sei Juan Carlos per Hubschrauber zum staatlichen Hotel Emirates Palace geflogen, das als eine der edelsten Herbergen der Welt gilt.
Juan Carlos unterhält zu dem Ölstaat und zum steinreichen Staatschef, Emir Chalifa bin Zayed al-Nahyan, freundschaftliche Beziehungen. Angeblich soll Spaniens Ex-Monarch in seiner Zeit als Staatsoberhaupt für die Vermittlung von Geschäften zwischen der spanischen Industrie und arabischen Staaten millionenschwere Schmiergelder kassiert haben.
Übereinstimmenden Berichten zufolge hatte sich Juan Carlos noch am Sonntag im westspanischen Atlantikort Sanxenxo von einigen Segelfreunden verabschiedet. Tags darauf hieß es zunächst, er sei von Portugal aus per Privatjet in den Karibikstaat Dominikanische Republik geflogen. Andere Quellen vermuteten, dass er in Portugal geblieben sei, wo bereits sein Vater, Juan de Borbon,´ während der Franco-Diktatur (1939−1975) im Exil gelebt hatte.
Während Juan Carlos von der Bildfläche verschwunden ist, wurde seine Ehefrau, Königin Sof´ıa, auf Mallorca gesehen. Die 81-Jährige wird mit den Skandalen ihres 82 Jahre alten Mannes nicht in Verbindung gebracht. Die beiden leben seit Jahren getrennt. Sof´ıa genießt, ganz im Gegensatz zu ihrem Angetrauten, weiterhin große Popularität in Spanien.
Juan Carlos, der von 1975 bis 2014 als Spaniens königlicher Staatschef amtierte, war in seinem Land wegen der schweren Vorwürfe unter Druck geraten. Inzwischen weiß man, dass Juan Carlos nicht freiwillig die offizielle Königsresidenz in Madrid verließ. Vielmehr wurde er von Felipe VI., der 2014 von seinem Vater die Krone geerbt hatte, aus dem Palast gejagt.
Ein schmerzhafter Rauswurf, aber eine notwendige „Distanzierung“, wie dieser Schritt offiziell genannt wird. Denn seine Anwesenheit im Palast war nach Bekanntwerden seiner illegalen und unmoralischen Finanzgeschäfte für das Königshaus nicht mehr tragbar. Die bisherigen Untersuchungen scheinen zu belegen, dass der König ein Doppelleben führte. Offiziell trat er als bescheidener, bürgernaher und ehrlicher Staatsrepräsentant auf. Hinter den Kulissen missbrauchte er offenbar sein Amt, um sich zu bereichern und ein riesiges Auslandsvermögen anzuhäufen, das er vor dem Finanzamt versteckte.
Königsfamilie nicht sakrosankt
Währenddessen wächst die Empörung in Spanien. Viele Menschen sind enttäuscht vom Verhalten ihres früheren Königs. „Juan Carlos ist eine Schande für das Land“, schimpfen Bürger, die im TV ihrem Zorn freien Lauf lassen. Umfragen belegen, dass sich das Königshaus nicht mehr sicher sein kann, die Mehrheit der Bevölkerung noch hinter sich zu haben.
Premier Pedro Sanchez´ stellt derweil klar, dass die Regierung hinter König Felipe und der Monarchie stehe. Felipes Entscheidung, sich von seinem Vater und dessen „fragwürdigem Verhalten“zu distanzieren, sei „angemessen“, sagt Sanchez.´ „Jeder öffentliche Repräsentant muss Rechenschaft über seinen Lebenswandel ablegen.“Das gelte ohne Ausnahme – auch für die Königsfamilie.