Die Presse

Plötzlich Bezirksvor­steherin

Bezirksser­ie. Die Grüne Uschi Lichtenegg­er eroberte 2015 völlig überrasche­nd den ersten Platz im zweiten Wiener Bezirk. Nun will die SPÖ Revanche für diese Niederlage.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Auf dem Papier sind die Positionen in der Leopoldsta­dt klar bezogen. Die Grünen fuhren 2015 genau 35,34 Prozent und Platz eins ein. Die SPÖ als zweitstärk­ste Partei lag mit 28,06 Prozent deutlich dahinter. Trotzdem dürfte die Leopoldsta­dt einer der spannendst­en Bezirke bei der Wien-Wahl im Herbst werden – wenn es um die Bezirksvor­steher geht. Denn im zweiten Bezirk will die SPÖ eine Revanche für die herbe und völlig unerwartet­e Niederlage 2015 üben. Erstmals in der Geschichte Wiens erstrahlte der zweite Bezirk damals nicht mehr rot, sondern grün.

Die SPÖ hadert seitdem mit ihrem Schicksal. Denn es war die Wahlwieder­holung in der Leopoldsta­dt, die der Bürgermeis­terpartei unerwartet den Bezirksvor­steher-Posten gekostet hatte. Auslöser der Wahlwieder­holung war eine erfolgreic­he Anfechtung des Bezirkswah­lergebniss­es durch die FPÖ. Denn es gab (wieder einmal in Österreich) Probleme mit den Wahlkarten. Auch heuer ist dank der Wohnsitzde­batte von Heinz-Christian Strache bereits vor der Wahl eine Anfechtung nicht ganz ausgeschlo­ssen.

Rote Festung seit 1945

Seit dem Zweiten Weltkrieg war die Leopoldsta­dt eine rote Festung. So war es auch bei der ersten, später aufgehoben­en Bezirksver­tretungswa­hl. Die SPÖ verteidigt­e (wie erwartet) ihre Spitzenpos­ition im zweiten Bezirk mit 38,64 Prozent souverän, während sich Grüne und Freiheitli­che, mit fast 17 Prozent Abstand, ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten. Mit der Wahlwieder­holung schlittert­e die SPÖ in ein Desaster, nachdem sie ihr Klientel nicht mobilisier­en konnte. Und die Grünen Anleihe an einer alten SPÖTaktik nahmen: Sie inszeniert­en ein Duell „Gut gegen Böse“. Das grüne Signal: Die SPÖ habe bereits gewonnen, im zweiten Bezirk dürfe aber nicht die FPÖ zweiter werden; es gehe um eine Grundsatze­ntscheidun­g zwischen einem offenen, liberalen Bezirk und der FPÖ.

Die Taktik ging besser auf als erwartet – die Grünen überholten völlig überrasche­nd sogar die SPÖ. Nun tritt Lichtenegg­er erstmals zur Wiederwahl in einem Bezirk an. Ein richtiges Profil konnte sie sich bisher nicht erarbeiten, allerdings hat auch die SPÖ kein Zugpferd. Der frühere SPÖ-Bezirksvor­steher, Karlheinz Hora, war in der Leopoldsta­dt bekannt und hatte sich einen Amtsbonus erarbeitet. Allerdings verstarb er kurz nach der Wahl. So geht nun der derzeitige SPÖ-Bezirksges­chäftsführ­er, Alexander Nikolai, ins Rennen um den Bezirksvor­steher-Posten. Gewinnt er, würde die Leopoldsta­dt von einem 19-jährigen Jungpoliti­ker bei seiner ersten Kandidatur erobert werden. Ob er es schafft, wird davon abhängen, ob es der Partei von Michael Ludwig gelingt, die eigenen Wähler so zu mobilisier­en wie in der Zeit vor der grünen Regentscha­ft.

Die drei Gesichter der Leopoldsta­dt

Die Themen, die im Bezirk dominieren, sind vielfältig. Immerhin hat die Leopoldsta­dt drei Gesichter. Entlang des Donaukanal­s und des Karmeliter­viertels dominiert das jung-urbane Gesicht. Weiter draußen sind die Gemeindeba­uten und die Gewerbevie­rtel nicht zu übersehen. Und ab dem Praterster­n erstreckt sich mit dem Wiener Prater ein riesiger Grünbereic­h. Wobei der Donaukanal und der Prater weit über die Grenzen der Leopoldsta­dt hinaus strahlen.

Eines der Haupttheme­n sind polarisier­ende (Pop-up-)Radwege, mit dem Lichtenegg­er versucht, im angelaufen­en Wahlkampf Aufmerksam­keit zu erregen und das grüne Kernklient­el für die Bezirksver­tretungswa­hl zu gewinnen. Für Aufsehen (und massiven Ärger mit der SPÖ) sorgte ihr Plan, die (in beide Richtungen) zweispurig­e Praterstra­ße, eine zentrale Verbindung zwi

schen Zentrum und Außenbezir­ken, auf jeweils einen Fahrstreif­en zu verringern – um einen Radweg zu bauen, obwohl dort bereits ein Radweg existiert. Man wolle eben einen breiteren Radweg, argumentie­rte Lichtenegg­er. Der Plan wurde von Bürgermeis­ter Michael Ludwig verhindert. Nicht zuletzt deshalb, weil ein Szenario drohte, wonach der Durchzugsv­erkehr nach der Sperre der Fahrstreif­en direkt in die angrenzend­en Wohnvierte­l umgeleitet wird.

Kaum Spuren der grünen Regentscha­ft

Ansonsten hat sich der Bezirk in den vergangene­n fünf Jahren der grünen Regentscha­ft nicht radikal verändert. Denn für derartige Maßnahmen brauchen Bezirke meist die Genehmigun­g der Stadt, also des SPÖ-Bürgermeis­ters. In der Leopoldsta­dt gibt es (gegenüber 2015) etwas mehr Radständer, man verspricht neue Bäume, und man versucht, das Thema Klimaerwär­mung, das den Grünen (vor der Coronakris­e) enorme Umfragewer­te beschert hat, auch in den grünen Bezirkswah­lkampf zu tragen.

Die FPÖ dürfte nach dem Ibiza-Skandal keine große Rolle mehr in der Leopoldsta­dt spielen – vor allem, wenn Ex-Obmann Heinz-Christian Strache antritt. Damit wurde aus dem grün-blauen Duell um Platz zwei vor fünf Jahren der rot-grüne Zweikampf um Platz eins im heurigen Herbst.

 ?? [ Akos Burg ] ?? Ursula Lichtenegg­er (Grüne) ist seit 2015 Bezirksvor­steherin der Leopoldsta­dt.
[ Akos Burg ] Ursula Lichtenegg­er (Grüne) ist seit 2015 Bezirksvor­steherin der Leopoldsta­dt.

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