Nicht nur die Älteren, auch die Jungen brauchen Solidarität
Die Politik vergisst mitunter, dass auch ältere Menschen an die Zukunft denken und sich um die nächsten Generationen sorgen.
Während die ältere und die mittlere Generation nichts anderes als Aufschwung erlebt haben, sehen die Zukunftsaussichten der Jungen eher düster aus.
Stets war es in der Menschheitsgeschichte so, dass die Jungen und Starken Sorge für die Alten und Schwachen trugen. In der modernen westlichen Wohlstandsgesellschaft übernimmt dies nicht mehr nur die Sippe oder die Großfamilie, wie es in etlichen Weltgegenden noch heute der Fall ist, sondern der Staat organisiert den „Generationenvertrag“. Doch auch hier kommt man ohne familiäre Solidarität nicht aus.
Im Vordergrund stand zuletzt die Aufforderung an die Jungen, gegenüber den Älteren Rücksicht zu nehmen und sie zu schützen. Weniger im Fokus war, dass auch die Jungen Unterstützung und Solidarität benötigen. Eine Umfrage vor wenigen Wochen ergab, dass die Jungen von der aktuellen Wirtschaftskrise viel stärker betroffen sind als Ältere. Einkommensverluste durch Kurzarbeit, Kündigung, Wegfall von Ausbildungsplätzen treffen sie besonders oft. Ältere sind durch erschwerte Kündigungsmöglichkeiten, Pragmatisierung oder als Pensionisten weniger oder noch gar nicht von der Krise betroffen.
Bereits vor der aktuellen schweren Wirtschaftskrise, die sich wohl noch verschlimmern wird, geriet der Generationenvertrag in eine Schieflage zuungunsten der Jungen. Die Bevölkerungspyramide ist seit Jahrzehnten keine Pyramide mehr, sondern entwickelt sich immer mehr zu einem Trichter. Die Babyboomer kommen nun ins Pensionsalter und werden das Problem verschärfen. Statt, wie Experten seit Jahren fordern, das faktische Antrittsalter deutlich zu erhöhen, wurden gegenteilige Akzente gesetzt. So etwa hatten SPÖ und FPÖ 2019 in einem populistischen Akt vor der letzten Bundeswahl bedenkenlos die „Hacklerregelung“wieder ermöglicht. An den Folgen werden die Steuerzahler noch lang zu tragen haben.
Während die ältere und die mittlere Generation nichts anderes als Aufschwung erlebt haben, sehen die Zukunftsaussichten der Jungen eher düster aus. Die Mehrheit von ihnen rechnet nicht damit, einmal eine Pension zu erhalten, mit der man den Lebensunterhalt bestreiten kann. Wenn es so weitergeht, wird diese Annahme wohl eintreffen. Sie müssen mit Flüchtlingen, Wirtschaftsmigranten und Klimawandel zurechtkommen. Die EU, von der die Jugend durch Austauschprogramme und Niederlassungsfreiheit besonders profitiert hat, erodiert zunehmend. Die Nationalstaaten und die EU geben unvorstellbare Geldmengen aus, ohne Plan, wie das in Zukunft refinanziert werden soll.
Die Politik orientiert sich an den Älteren, die Interessen der Jungen spielen kaum eine Rolle. Die Logik dahinter ist simpel: Längst sind die Älteren die entscheidende Wählergruppe. Eine Regierung, die etwa ernsthaft eine Pensionsreform angeht, kommt in große Schwierigkeiten. Es genügt ein Blick nach Frankreich. In Österreich wurden zumindest einzelne Schritte gesetzt, wie etwa der Durchrechnungszeitraum und eine schrittweise Erhöhung des Pensionsantrittsalters. Und als die türkis-grüne Regierung vor wenigen Monaten Teile der Hacklerregelung zurücknehmen wollte, erntete sie wütenden Protest von Rot und Blau.
Was oft vergessen wird, ist, dass die Älteren nicht alle nur an sich denken. Natürlich gibt es in jeder Generation Menschen, die egoistisch sind und Solidarität nur von den anderen einfordern. Die meisten Menschen sind jedoch eingebettet in Beziehungen über die Generationen hinweg. So machen sich Großeltern Sorgen um die Zukunft ihrer Enkel. Das führt dazu, dass sich Ältere für den Umweltschutz stark machen und für ihre Enkel sparen. In Italien, wo durch eine verfehlte Politik die Jugend vielfach im Prekariat leben muss, wären viele Junge obdachlos, würden sie ihre Großeltern nicht bei sich wohnen lassen. Diese wechselseitige Solidarität, dass auch die Älteren für ihre Kinder und Enkelkinder vorsorgen, hat der Menschheit das Überleben gesichert.
Diesen Aspekt sollte die Politik bei ihrem Handeln mitbedenken.
Zur Autorin:
Dr. Gudula Walterskirchen ist Historikerin und Publizistin. Autorin zahlreicher Bücher mit historischem Schwerpunkt.
Seit 2017 Herausgeberin der „Niederösterreichischen Nachrichten“und der „Burgenländischen Volkszeitung“.