Tourismus: Tirol ist der Verlierer
Analyse. Die Coronakrise wird zu einem Comeback des Österreich-Urlaubs führen.
Nächtigungen. Für den Tiroler Tourismusexperten Klaus Ennemoser steht fest, dass Tirol am stärksten unter dem coronabedingten Gästeschwund leiden wird. Grund sei, dass Tirol am meisten von ausländischen Gästen abhängig sei. Lediglich 8,5 Prozent der Touristen im Bundesland kommen aus Österreich. Dass aktuell manche Orte wie etwa Kitzbühel gut ausgelastet sind, ändere an dieser Prognose nichts. Während österreichweit im Sommer die Nächtigungen im Vergleich zum Vorjahr um 61,6 Prozent zurückgehen, seien es in Tirol 68,7 Prozent. Schlimmer trifft es derzeit nur die Stadthotellerie – allen voran jene in Wien.
Zum Vergleich: In Kärnten lag der Anteil österreichischer Touristen im Vorjahr bei 40 Prozent. Heuer haben österreichische Urlauber das Ausbleiben ausländischer Gäste nicht nur aufgefangen, sondern überkompensiert.
Wien. Der Tiroler Tourismusexperte Klaus Ennemoser hat bereits im April als einer der Ersten die Einbrüche im heimischen Tourismus prognostiziert. Für den Sommer berechnete er einen Rückgang der Nächtigungen um 61 Prozent. Für das ganze Tourismusjahr, das sich von November 2019 bis Oktober 2020 erstreckt, werde es einen Nächtigungsrückgang von 41,9 Prozent geben. Dies auch nur, weil die vergangene Wintersaison bis zu ihrem jähen Ende Mitte März wieder einmal alle Rekorde gebrochen hat.
Anfang August adaptierte Ennemoser seine Berechnungen, nachdem neue Tourismuszahlen vorlagen. Die angepasste Prognose weicht nur unwesentlich von jener im April ab. Die Saison wird demnach um 41,2 Prozent weniger Nächtigungen vorweisen als im vergangenen Jahr. Auffallend ist allerdings, dass die Rückgänge sehr unterschiedlich verteilt sind.
Neben der Stadthotellerie – allen voran in Wien – macht Ennemoser einen großen Verlierer dieser Pandemie aus. „Der ganz große Verlierer ist tatsächlich Tirol“, sagt Ennemoser. Daran ändern auch aktuelle gute Buchungszahlen etwa in Kitzbühel nichts. Denn Tirol hat mit Abstand den höchsten Anteil an ausländischen Gästen. Nur 8,5 Prozent der Urlauber in Tirol sind üblicherweise aus Österreich. Ähnlich niedrig ist dieser Wert auch in Vorarlberg (10,9) und in Wien (18,5). In Kärnten lag der Anteil österreichischer Touristen bisher bei knapp 40 Prozent.
Doch dort haben österreichische Urlauber das Ausbleiben ausländischer Gäste nicht nur aufgefangen, sondern teilweise auch überkompensiert. „Es hat sich gezeigt, dass Urlaub für viele Österreicher so etwas wie ein Grundbedürfnis ist“, sagt der Innsbrucker Unternehmensberater. Und er geht auch davon aus, dass dieses Grundbedürfnis in Zukunft vermehrt in Österreich gedeckt werden wird. Corona habe bei vielen eine Art Rückbesinnung bewirkt. Urlaub in Österreich wird auch in den kommenden Jahren wieder an Bedeutung gewinnen.
Ansehen des Tourismus steigt
In der Branche selbst habe dieser Coronaschock ebenfalls zu einem Umdenken geführt. „Der Arbeitsplatz im Tourismus hat wieder einen höheren Stellenwert“, attestiert Ennemoser im Gespräch mit der „Presse“.
Nicht so pessimistisch wie andere Branchenkenner ist der Innsbrucker, was die Wintersaison betrifft. Er rechnet mit einem Nächtigungsminus von „zehn bis 20 Prozent“, sagt Ennemoser. Aber diese Prognose hänge ganz stark von den Infektionszahlen in den Herkunftsländern ab. Denn es gehe nicht nur darum, dass wir in Österreich die Ausbreitung des Coronavirus im Griff haben. Kommt es in wichtigen Herkunftsländern zu steigenden Infektionszahlen, habe das natürlich Einfluss auf die Reisebestimmungen.
Klar sei schon jetzt, dass viele Wintersportler verstärkt auf Alternativen zum klassischen Skifahren umsteigen werden. Ennemoser glaubt, dass Langlauf und Skitouren an Popularität gewinnen werden. „Generell stagniert der Alpinsport seit vielen Jahren“, sagt er. Schon heute würden viele einen Winterurlaub ganz ohne Skier buchen und auf Winterwandern und Naturerlebnis setzen. Besonders problematisch sei natürlich, dass im kommenden Winter so gut wie keine Skikurse in Österreich stattfinden werden. Das führe dazu, dass langfristig wieder weniger junge Menschen für den Wintersport begeistert werden können.
Statt der prognostizierten 152,9 Millionen Nächtigungen werde die Saison 2019/20 nur 89,8 Millionen Nächtigungen aufweisen. Die Wertschöpfung, die dabei bundesweit verloren geht, beziffert Ennemoser mit 16,8 Milliarden Euro.