Wenn Bestechung zu einer Waffe von Staaten wird
US-Experten warnen vor „strategischer Korruption“aus Russland und China. Sie sollten auch ins eigene Land blicken.
Wie Staaten Bestechung zu einer Waffe machen, versuchen vier frühere Spitzenbeamte des US-Außenamts und des Pentagon in einem Aufsatz für das Fachmagazin „Foreign Affairs“(4/2020) zu erläutern. Sie schreiben in diesem Zusammenhang vom „Aufstieg der strategischen Korruption“: Dass Korruption in ein Instrument der nationalen Strategie umgewandelt werde, sei eine neue Erscheinung. „Vor allem Russland und China haben Wege gefunden, um die spezifische Art von Korruption, die bisher ein Alleinstellungsmerkmal ihrer eigenen politischen Systeme war, in eine Waffe für die Weltbühne umzuwandeln.“
Als Beispiel beschreiben sie den ganzen Ukraine-Sumpf, der US-Präsident Donald Trump fast sein Amt gekostet hätte und in dem auch der in Wien gegen seine Auslieferung in die USA kämpfende ukrainische Oligarch Dmitrij Firtasch eine suspekte Rolle spielt, genauso wie der Trump-Anwalt Rudy Giuliani. Da flossen Dollarbeträge in Millionenhöhe, die hochgelobte US-Botschafterin in Kiew, die den Intrigen im Weg stand, wurde gemobbt und wüste Verschwörungstheorien – mit Hauptakteur George Soros, wer sonst? – wurden lanciert. Genützt aber habe all dies einem scheinbar nicht direkt involvierten Akteur: Russland.
Die vier Autoren identifizieren auch die chinesische Neue-Seidenstraße-Initiative als Sumpf der strategischen Korruption – ein Infrastrukturprojekt, „bei dem Mauschelei und Bestechung geradezu epische Ausmaße annehmen“. In Australien waren die chinesischen Beeinflussungsversuche mittels Schmiergelds jahrelang massiv und auch erfolgreich, inzwischen schrillen dort aber die Alarmsirenen lauter als anderswo. Und auch die türkischen Hinterzimmer-Umtriebe in den USA rund um die ins Visier von Ermittlern geratene Halbank werden beschrieben, wobei die seltsame Freundschaft Trumps zum türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdogan,˘ die Aufklärung des Korruptionsfalls nicht erleichtert.
Apropos Trump. Frank Vogl, ein Mitgründer der Antikorruptionsorganisation Transparency International, hält Trump für den „korruptesten Präsidenten der US-Geschichte“, wie er im Online-Magazin „The Globalist“schreibt. Bei Trump beginnt es damit, dass er zahlende Washington-Besucher in sein dortiges Hotel leitet, und endet bei der frühzeitigen Begnadigung seines Ex-Mitarbeiters Roger Stone, der wegen Falschaussage und Behinderung der Justiz zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt worden war. Bis heute hat Trump seine Steuererklärungen nicht offengelegt.
Zuletzt hat Trump die Generalinspektoren im Gesundheitsministerium, in der Nationalen Geheimdienstbehörde und im Außenamt gefeuert. Generalinspektoren sind ressortinterne Ermittler, die darauf achten, dass Gesetze eingehalten werden und Geldflüsse korrekt verlaufen. Steve Linick musste gehen, weil er Außenminister Mike Pompeo auf die Schliche gekommen war, dass er am Kongress vorbei Waffenlieferungen nach Saudiarabien und in andere arabische Länder gutgeheißen hatte.
Suchen die Amerikaner also nach Korruption im großen Stil, müssen sie gar nicht ins Ausland schauen. Der Sumpf befindet sich mitten in Washington. Ein Kernproblem dabei ist, dass der jetzige Justizminister, William Barr, praktisch als persönlicher Anwalt von Präsident Trump agiert. „Groß angelegte endemische Korruption stellt die größte innere Bedrohung für die Demokratie dar“, warnt Stanford-Soziologe Larry Diamond. „Sie ermöglicht auch, dass die Demokratie angreifbarer für äußere Subversion wird.“Merk’s USA.