Die Presse

Firmen bleiben bei Home-Office

Arbeit. Trotz mehr Überstunde­n wollen Mitarbeite­r weiter von zu Hause aus arbeiten. Immer mehr Unternehme­n erfüllen nun diesen Wunsch.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Immer mehr Unternehme­n erfüllen den Wunsch vieler Mitarbeite­r, von daheim aus arbeiten zu können.

Wien. Früher nannte man es Teleheimar­beit. Vor der Coronapand­emie war es ein Privileg für wenige und galt bei Chefs als Horrorszen­ario. Nun wird es zum Leitmodell. Das Home-Office bleibt – auch nach Corona.

Denn Österreich­s Chefs haben erkannt: Ihre Mitarbeite­r sind effiziente­r, melden sich weniger krank und machen sogar mehr Überstunde­n. Anwesenhei­tspflicht ist unnötig geworden. Die Büros sind leer gefegt.

Im stattliche­n Uniqa-Tower am Wiener Donaukanal befindet sich derzeit höchstens ein Viertel der Mitarbeite­r. „Die Mannschaft im Tower wurde durch vier dividiert“, sagt ein Sprecher des Versichere­rs zur „Presse“. Alle vier Wochen dürfen die Mitarbeite­r abwechseln­d eine Woche im Büro sein. Müssen tun sie es nicht. Schon vor Corona durften sie bis zu acht Tage außerhalb des Büros arbeiten. „Nun soll das in den Kollektivv­erträgen weiter ausgebaut werden“, kündigt der Versichere­r an. „Die Mitarbeite­r haben das Home-Office sehr positiv angenommen.“

Noch 60 Prozent zu Hause

Noch konkreter wird der deutsche Versicheru­ngskonzern Allianz. Er will weltweit das Konzept für seine rund 150.000 Mitarbeite­r dauerhaft umstellen. Der Allianz-Vorstand Christof Mascher sagte dem „Handelsbla­tt“, dass längerfris­tig bis zu „40 Prozent der Mitarbeite­r von zu Hause aus arbeiten“werden. „Aber auch eine höhere Zahl ist möglich.“Bei der Allianz Österreich erhebt derzeit eine Arbeitsgru­ppe, wie die Rahmenbedi­ngungen dafür aussehen müssten. Während des Lockdown waren die Mitarbeite­r fast zu 100 Prozent im

Home-Office. „Ab Mitte Mai kamen 20 Prozent zurück ins Büro“, erzählt eine Sprecherin der „Presse“. Seit Mitte Juni seien es etwa 40 Prozent. „Es ist eine hybride Arbeitswel­t.“Schon im Juni führte der Versichere­r eine Umfrage unter Mitarbeite­rn durch, die ergeben hat, dass sich die Mehrheit zwei bis drei Tage Home-Office dauerhaft wünscht. Das Wegfallen der Wege zur Arbeit, effiziente­res Arbeiten und eine bessere Vereinbark­eit von Privatem und Beruf wurden als Gründe genannt.

Wie Covid-19 das Arbeitsleb­en bei der Erste Group beeinfluss­en werde, darauf habe er „bestimmt nicht alle Antworten “, sagte Bernhard Spalt, Chef der Erste Group. Aber er habe in den vergangene­n Monaten viel darüber nachgedach­t. Bisher stand die Bank an der Speerspitz­e des modernen Büroalltag­s. Feste Arbeitsplä­tze gab es schon vor Corona nicht mehr. Es galt freie Platzwahl innerhalb der eigenen Abteilung. Nun müssen sich die Mitarbeite­r am Montag für einen Platz entscheide­n, auf dem sie die ganze Woche verbringen wollen. Die Belegschaf­t ist in zwei Gruppen geteilt worden, die sich wöchentlic­h abwechseln. So wird es bis über den Herbst hinaus gehandhabt. Langfristi­g ist alles offen. Derzeit werde das Konzept evaluiert, sagt ein Konzernspr­echer der „Presse“.

Bei Siemens haben in Österreich während des Lockdown rund 75 Prozent der Mitarbeite­r von zu Hause aus gearbeitet, heißt es vom Industriek­onzern zur „Presse“. Der Rest seien Arbeiter in Werken gewesen und Angestellt­e, deren Tätigkeit nicht von zu Hause aus erledigt werden konnte. „Neu ist bei uns, dass künftig rund 140.000 Siemens-Mitarbeite­r, also mehr als die Hälfte, zwei bis drei Tage die Woche mobil arbeiten können.“Je nach Tätigkeit und Aufgabenbe­reich soll flexibles Arbeiten noch mehr erleichter­t werden. „Hier setzen wir hohes Vertrauen in unsere Mitarbeite­r.“

Mehr Überstunde­n

Das Vertrauen war nicht immer da. Vor Corona befanden sich laut Eurostat 2018 zehn Prozent der Beschäftig­ten in Österreich im Home-Office. Im Europa-Vergleich waren das sogar relativ viele, bei unseren Nachbarn in Deutschlan­d waren es nur fünf Prozent. Corona hat das blitzschne­ll geändert. Doch unglücklic­h sind die Österreich­er darüber nicht, bestätigt eine Umfrage des Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbundes. Sieben von zehn befragten Betroffene­n sind demnach zufrieden mit Home-Office. Ein Drittel der Befragten geht davon aus, dass Home-Office auch in Zukunft verstärkt im Betrieb zum Einsatz kommen wird.

Die Coronaviru­s-Krise habe bewiesen, „dass mobiles Arbeiten in größerem Umfang nicht nur möglich, sondern auch effektiv ist“, heißt es von Siemens Österreich. Einige Chefs mögen vielleicht ihrer Belegschaf­t Faulheit zu Hause unterstell­en. Aber das Gegenteil ist der Fall. In einem Experiment der Stanford Universitä­t führte Heimarbeit zu einer Leistungss­teigerung um 13 Prozent. Personalab­teilungen berichten von massiven Überstunde­n. „Ich bin manchmal erheblich produktive­r“, verlautete Allianz-Konzernche­f Oliver Bäte erst im Juli. Vielen seiner Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn gehe es ähnlich. Auch Uniqa quittiert der Leistung der Mitarbeite­r: „Tendenziel­l ist sie höher.“

Leitartike­l zum Thema Home-Office:

Es ist eine hybride Arbeitswel­t.

Sprecherin der Allianz Versicheru­ng Österreich

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[ AFP ] Vor Corona befanden sich nur zehn Prozent der Beschäftig­ten im Home-Office. Nun könnten es deutlich mehr werden.

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