Grüner durfte sich nicht als Strache verkleiden
Entscheidung II. Der Abgeordnete Michel Reimon nahm auf Twitter zwischenzeitlich die Identität des früheren Vizekanzlers an. Auf satirische Weise, wie der Grüne betonte. Der OGH gibt aber Straches Klage statt.
Wien. Ernsthafte politische Debatten stehen im Online-Netzwerk Twitter ebenso auf der Tagesordnung wie satirische Beiträge. Doch wenn Leute über die Identität eines Twitterers in die Irre geführt werden könnten, ist Schluss mit lustig. Das macht der Oberste Gerichtshof (OGH) in einem aktuellen Urteil klar, in dem es um die Politiker Michel Reimon, Heinz-Christian Strache und Sigrid Maurer sowie um den sogenannten Bierwirten geht. Aber der Reihe nach.
Es war der 9. Oktober 2018, jener Tag, an dem die heute als Grünen-Klubobfrau tätige Sigrid Maurer wegen übler Nachrede verurteilt wurde (nicht rechtskräftig). Hintergrund war, dass Maurer obszöne Nachrichten veröffentlicht und einen Bierwirten als Urheber genannt hatte. Dieser aber bestritt, hinter den Nachrichten zu stecken, schließlich könne sein Facebook-Account von jedem Gast in seinem Lokal genutzt werden. Aus Anlass des Urteils gegen Maurer wurde auf Twitter angeregt über das Thema Identitätsdiebstahl debattiert.
Michel Reimon, heute Nationalratsabgeordneter und damals EU-Mandatar, brachte sich auf ungewöhnliche Weise in die Diskussion ein. Der Grün-Politiker änderte seinen Twitter-Auftritt. So übernahm er das Profilbild des damaligen Vizekanzlers und trug als Namen auch „HC Strache“ein.
„Das Internet ist voller Links“
Unter dieser digitalen Verkleidung postete Reimon als Strache sodann: „Selbstverständlich muss eine seriös arbeitende Justiz echte Männer davor schützen, dass man mit billigen Tricks ihre Identität missbraucht. Ich meine... das Internet ist voller Links, dem darf man einfach nicht trauen.“
Wer genau hinsah, konnte in kleinerer Schrift neben „HC Strache“noch den echten Twitter-Usernamen „@michelreimon“sehen. Ob das aber zur Aufklärung ausreicht, war vor Gericht ebenso strittig wie die Frage, ob Reimons Werk eine Satire darstellt. Er erklärte seine Aktion damit, dass Strache Maurer eine Teilschuld an ihrer Situation im Bierwirt-Fall gegeben habe. Aus Sicht Reimons war dies eine Täter-Opfer-Umkehr.
Während die erste Instanz noch eine erlaubte Satire in der Aktion erblickte, entschied die zweite schon für Strache, der Reimon auf Unterlassung geklagt hatte. Nun machen die Höchstrichter klar, dass der grüne Mandatar tatsächlich zu weit gegangen ist. Von Satire könne man hier jedenfalls nicht sprechen, weil keine konkrete Sympathiebekundung von Strache für den Bierwirten bekannt sei, meint der OGH.
Zwar seien Twitter-User grundsätzlich politisch interessiert, aber so genau schaue man in dem Netzwerk dann auch wieder nicht hin. Denn Twitter sei „von einer gewissen Flüchtigkeit geprägt“, betonten die Höchstrichter. Und deswegen werde mehreren Usern nicht aufgefallen sein, dass Reimons Werk gar nicht Straches Account ist. Umgekehrt aber werde Strache „eine nicht von ihm stammende Äußerung in den Mund gelegt“und der Politiker damit in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, befanden die Höchstrichter.
Politische Auseinandersetzungen müssen also künftig wohl wieder ohne Maskerade geführt werden.