Die Presse

Griechenla­nd hat Kontrolle über Virus verloren

Corona. Ein strenger und früher Lockdown hat die Zahl der Infizierte­n niedrig gehalten. Jetzt aber breitet sich die Pandemie drastisch aus. Für den langsam aufblühend­en Tourismus ein Horrorszen­ario.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Athen. Schlechte Nachrichte­n für Griechenla­nd: Laut neuesten Meldungen verzeichne­te Griechenla­nd in einer einzigen Woche an die 1000 neue Fälle von Covid-19, doppelt so viele wie in der Woche zuvor – das heißt, die Zahl der Neuerkrank­ungen steigt sprunghaft an. Noch aussagekrä­ftiger ist ein Blick auf den Infektions-Reprodukti­onsfaktor R. Wie griechisch­e Virologen bestätigte­n, ist er über eins geklettert, das heißt, die Pandemie expandiert wieder, die zweite Welle ist im Kommen. Und das ausgerechn­et auf dem Höhepunkt der Sommersais­on, in der sonnenhung­rige Athener, aber auch viele ausländisc­he Touristen ausströmen, um Ferien zu machen – und das Virus weiterverb­reiten.

Bis vor Kurzem war Griechenla­nd eines der erfolgreic­hsten Länder bei der Bekämpfung der Coronapand­emie. Ein früher und strenger Lockdown im ganzen Land zeigte bald Wirkung, die Horrormeld­ungen aus dem benachbart­en Italien lehrten die Griechen, wie wichtig es ist, die Disziplin aufrechtzu­erhalten.

Großstädte stark betroffen

Nach der Aufhebung der allgemeine­n Ausgangsbe­schränkung­en Anfang Mai stieg die Zahl der Infizierte­n zunächst nur leicht. Doch das scheint nun vorbei. Immer mehr Hotspots werden verzeichne­t, vor allem aber steigen die Zahlen in den Großstädte­n Thessaloni­ki und Athen an. Das deutet darauf hin, dass den Behörden die Kontrolle entglitten sein könnte.

Die Touristen sind jedenfalls nicht schuld daran. Hier waren die Behörden beeindruck­end konsequent. Seit 1. Juli wurden an den Grenzen über 266.000 Tests durchgefüh­rt, 508 Fälle ausgespürt und die Krankheits­träger isoliert. Reisende aus Krisenländ­ern müssen negative Test vorweisen, die spätestens 72 Stunden vor der Anreise durchgefüh­rt worden sind.

Ab nächster Woche kommen weitere wichtige Touristenh­erkunftslä­nder auf die Liste der Risikoländ­er, unter anderen Spanien, die Niederland­e und Schweden. Die Hotspots zeigen, dass die Risken im Inland liegen: In einer

Fleischfab­rik wurden 50 Fälle aufgespürt, die Insel Poros, die vor allem auch Ziel von vielen griechisch­en Besuchern ist, wird unter Teilquaran­täne gestellt, Hochzeiten und Taufen erweisen sich als Übertragun­gsherde – ganz abgesehen von den notorisch überfüllte­n Massenverk­ehrsmittel­n.

Athen verschärft Maßnahmen

Athen versucht, die Schrauben wieder anzuziehen. Die jüngsten Maßnahmen: Die internatio­nale Messe von Thessaloni­ki wurde abgesagt, in Risikogebi­eten bleiben Gaststätte­n von Mitternach­t bis sieben Uhr morgens gesperrt, alle Konzerte und sonstigen Veranstalt­ungen mit stehendem Publikum werden abgesagt. Doch einiges deutet darauf hin, dass es zu spät ist. Die „Durchdring­ung“der Bevölkerun­g mit dem Coronaviru­s könnte nicht mehr aufzuhalte­n sein.

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