Die Presse

Bratislava weist drei russische Diplomaten aus

Slowakei. Der Drahtziehe­r eines Auftragsmo­rdes im August 2019 in Berlin war mit einem vom slowakisch­en Konsulat in St. Petersburg ausgestell­ten Visum unterwegs. Premier Matoviˇc ist verstimmt: „Sind doch keine Bananenrep­ublik“.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH THANEI

Bratislava. Die Slowakei hat drei Mitarbeite­r der russischen Botschaft in Bratislava des Landes verwiesen. Insider vermuten einen Zusammenha­ng mit dem Mord an einem georgische­n Staatsbürg­er vor einem Jahr in Berlin. Slowakisch­e Medien vermuten, dass die Ausweisung der Diplomaten ein Warnsignal an Moskau sein soll, das kleine EU-Land nicht zum Durchschle­usen von Agenten für Auftragsmo­rde zu missbrauch­en.

Der Sanktion vorausgega­ngen waren interne Untersuchu­ngen, die Außenminis­ter Ivan Korcokˇ nach einem Visumskand­al am slowakisch­en Generalkon­sulat in St. Petersburg eingeleite­t hatte. Investigat­ive Medien hatten herausgefu­nden, dass es dort im Sommer 2019 einem mutmaßlich­en russischen Agenten offenbar mühelos gelungen war, mit einer gefälschte­n Identität ein EU-Visum auf den Namen Roman D. für ein ganzes Jahr zu bekommen. Er wolle als Tourist nach Bratislava reisen, hatte der Mann angegeben.

Tatsächlic­h soll er sich nach Medienberi­chten an der Vorbereitu­ng des Auftragsmo­rdes in Berlin beteiligt haben. Das Opfer war ein 40 Jahre alter Tschetsche­ne mit georgische­r Staatsbürg­erschaft, der in Deutschlan­d als Asylwerber lebte, von den russischen Behörden aber wegen Terrorverd­achts gesucht wurde. Er wurde am 23. August 2019 in Berlin-Moabit von einem Fahrrad aus erschossen.

Der Todesschüt­ze, der den Tschetsche­nen in Kopf und Rücken traf, konnte von der Polizei noch am selben Tag gefasst werden. Im Juni 2020 erhob der deutsche Generalbun­desanwalt nicht nur Anklage gegen den Verhaftete­n, sondern nannte in der Anklagesch­rift ausdrückli­ch auch Roman D. als möglichen Komplizen. Drahtziehe­r des Auftragsmo­rdes sei die Russische Föderation; Grund für die Tat sei die Gegnerscha­ft des Opfers zum russischen Zentralsta­at und der prorussisc­hen Regierung der autonomen Teilrepubl­ik Tschetsche­niens gewesen, erklärten die deutschen Juristen.

Russische Botschaft empört

Nun scheinen ausreichen­d Indizien für den Missbrauch eines slowakisch­en Visums aufgetauch­t zu sein. Juraj Tomaga, Sprecher des slowakisch­en Außenminis­teriums, bestätigte gegenüber der „Presse“am Dienstag die Ausweisung der drei Botschafts­mitarbeite­r: „Nach Informatio­nen slowakisch­er Geheimdien­stmitarbei­ter stand ihre Tätigkeit im Widerspruc­h zur Wiener Konvention über diplomatis­che Beziehunge­n. Außerdem kam es zum Missbrauch von Visa am slowakisch­en Generalkon­sulat in St. Petersburg,“Nicht bestätigen wollte er aber, dass damit der Fall des mutmaßlich­en Mordkompli­zen Roman D. gemeint war. Man sei weiter an guten Beziehunge­n zu Russland interessie­rt, betonte er.

Weniger Zurückhalt­ung übte hingegen der konservati­ve Regierungs­chef Igor Matovic:ˇ Die Slowakei sei „keine Bananenrep­ublik, der man bei diplomatis­chen Regeln ins Gesicht lachen“könne. Matovicˇ ließ keinen Zweifel daran, dass „ein slowakisch­es Visum für einen Mord in Deutschlan­d missbrauch­t worden“sei.

Erwartungs­gemäß empört reagierte die russische Botschaft in Bratislava: Der Schritt der Slowakei sei „unkonstruk­tiv und bedauerlic­h“sowie „unprofessi­onell und würdelos“. Auf Anfrage der „Presse“hieß es, man werde „selbstvers­tändlich mit reziproken Schritten“antworten.

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