In den Fängen der iranischen Justiz
Massud Mossaheb war das Herz der Beziehungen zwischen Österreich und dem Iran. Seit Jänner 2019 sitzt er im Gefängnis. Will der Iran ihn gegen einen Terroristen tauschen?
Wien/Teheran. Seit Monaten bemüht sich Österreichs Staatsspitze von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts um seine Freilassung. Doch Massud Mossaheb, der 73-jährige Generalsekretär der österreichisch-iranischen Gesellschaft, darbt immer noch im berüchtigten Evin-Gefängnis von Teheran. Am Dienstag bekräftigte Justizsprecher Gholamhossein Esmaili im iranischen Staatsfernsehen das Urteil: zehn Jahre Haft wegen angeblicher Spionage für Deutschland und den israelischen Geheimdienst Mossad.
Beweise für den Vorwurf liegen bis heute nicht vor, das Urteil konnte nicht einmal der Anwalt einsehen. Vor mehr als eineinhalb Jahren versank Mossaheb im Justizsystem. Der Österreicher mit iranischen Wurzeln war damals in seiner alten Heimat als Konsulent von Med Austron unterwegs, dem Wiener Neustädter Zentrum für Ionentherapie zur Krebsbehandlung. Er hatte den Bau einer ähnlichen Einrichtung in Karadsch, 40 Kilometer westlich von Teheran, angeregt, wie sich Med-Austron-Geschäftsführer Alfred Zens im Gespräch mit der „Presse“erinnert. Anfang 2021 soll die iranische Ionentherapie-Anlage in Betrieb gehen. Zens ist Mossaheb bis heute dankbar für die Starthilfe.
Am 28. Jänner 2019, dem Abend vor dem geplanten Rückflug nach Wien, übergab Mossaheb zwei Med-Austron-Mitarbeitern im Hotel noch letzte Reiseunterlagen. Ihm selbst sei die Ausreise untersagt, erklärte er damals wortkarg, begleitet von zwei Iranern, offenbar Sicherheitsmännern. Dann verschwand Mossaheb. Wochenlang wusste seine Familie nicht, ob er überhaupt noch am Leben war. Bis die Nachricht aus dem EvinGefängnis eintraf. In Einzelhaft legte Mossaheb ein Geständnis ab. „Unter Folter“, wie seine Tochter, die Wiener Designerin Fanak Mani, zur „Presse“sagt. Sie ist in großer Sorge um ihren Vater, der unter Herzschwäche, Atemnot und Diabetes leidet. Dazu kommt jetzt das Coronavirus, das in iranischen Gefängnissen grassiert. Mittlerweile sitzt Mossaheb nicht mehr allein in der Zelle. Seine zweite Tochter, eine Ärztin, versucht von Wien aus per Telefon seine medizinische Versorgung zu organisieren.
Seit 1980 ist Massud Mossaheb auch österreichischer Staatsbürger. Er kam 1965 nach Wien, studierte an der TU Maschinenbau, arbeitete für Siemens und Austromir. Jahrzehntelang spielte er eine Schlüsselrolle bei der Anbahnung von Geschäften zwischen Österreich und dem Iran. Er hatte Kontakte zu höchsten Kreisen, wusste um die Fallstricke in Irans Geschäftswelt.
„Mossaheb war das Herz der iranisch-österreichischen Beziehungen – in Wirtschaft, Kultur und Politik“, sagt Werner Fasslabend, Präsident der österreichisch-iranischen Gesellschaft, über seinen Generalsekretär. Seit Monaten setzt sich Österreichs Ex-Verteidigungsminister für Mossaheb ein. Doch all die Gespräche, die auch Außenminister Alexander Schallenberg mit Irans Chefdiplomaten Javad Zarif führte, nützten nichts. Die iranische Justiz hat ihre eigenen Gesetze.
Zusammenhang mit Anschlag?
Bis heute ist unklar, warum die Iraner ausgerechnet jemanden wie Mossaheb verhafteten, der so zentral für die Beziehungen zu Österreich war. Die Spionagevorwürfe hält niemand für stichhaltig. Manche glauben, Mossaheb könnte einem mächtigen geschäftlichen Gegenspieler im Iran in die Quere gekommen sein. Doch auch dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Eine andere Theorie, die hinter den Kulissen zu hören ist, klingt glaubwürdiger. Demnach könnten es die Iraner auf einen Gefangenentausch abgesehen haben. Seit etwas mehr als zwei Jahren sitzt Assadollah A., der ehemalige dritte Botschaftsrat der iranischen Botschaft in Wien, in Belgien in Haft. Ihm wird zur Last gelegt, 2018 ein in Antwerpen lebendes Ehepaar beauftragt zu haben, einen Anschlag auf die Versammlung der iranischen Auslandsopposition nahe Paris zu verüben. Er soll zudem 500 Gramm Sprengstoff und einen Zünder an sie übergeben haben. Das Duo wurde auf dem Weg nach Frankreich verhaftet, der iranische Diplomat wenig später bei einer Autobahnraststätte in Würzburg. Doch für Österreichs Behörden ist ein solcher Gefangenenaustausch undenkbar. Fanak Mani hat am Dienstag mit ihrem Vater telefoniert. „Er ist niedergeschlagen, depressiv.“Sie hofft auf eine humanitäre Lösung. Bisher hat stille Diplomatie nicht geholfen.