Die Presse

Die Föderalism­usfalle schnappt zu

Corona. Vorgaben für Testungen und Quarantäne sollten bundesweit einheitlic­h ablaufen, unterschei­den sich jedoch von Fall zu Fall. Die Verwirrung bei Betroffene­n steigt inzwischen.

- VON JULIA WENZEL

Wien. 15 Studierend­e fahren an den Attersee, um ihren Bachelorab­schluss zu feiern. Eine davon bemerkt Coronasymp­tome, wird positiv getestet. Die restliche Gruppe – mittlerwei­le wieder auf neun Bundesländ­er verteilt – begibt sich in freiwillig­e Selbstisol­ation. Und dann? Passiert erst einmal nichts.

Erzählunge­n wie diese über negative Erfahrunge­n bei Testund Quarantäne­strategie häuften sich zuletzt. Isolations­regeln, die sich von Bundesland zu Bundesland unterschei­den, Testergebn­isse, die zehn Tage und länger auf sich warten lassen, oder Behördenwe­ge, die länger als die nötige Selbstisol­ation dauern, sind Grund dafür. „Die Presse“gibt einen Überblick.

Kompetenzd­ilemma

Bis sich die Wiener Behörden mit ihr in Verbindung setzten, vergingen Tage, obwohl sie mit der positiv Getesteten vier Tage in einem Haus zusammenwo­hnte, erzählt Julia Pabst, eine der Studierend­en am Attersee. Als sie Symptome hat, wählt sie 1450. „Ich hatte Glück mit der Person am anderen Ende der Leitung, die mir einen Test organisier­t hat“, erzählt Pabst der „Presse“. Sie wurde, wie mittlerwei­le auch der Rest der Gruppe, negativ getestet. Doch die unterschie­dlichen Vorgangswe­isen in den Ländern kritisiert sie.

Der Fall erinnert an jenen des jungen Paschinger­s, der nach einem Urlaub mit Freunden bis dato (nach mehr als zehn Tagen) auf sein Testergebn­is wartet, weil die Bezirkshau­ptmannscha­ft die Zuständigk­eit beim Magistrat in Wien sieht, wo der Mann seinen Hauptwohns­itz gemeldet hat.

Beschwerde­n wie die geschilder­ten lesen sich vor allem als Symptom des gesundheit­spolitisch­en Föderalism­us-Dilemmas: Dem Epidemiege­setz folgend liegen Testung und Contact Tracing im Aufgabenge­biet der Bundesländ­er, konkret der Bezirksver­waltungsbe­hörden. Das Gesundheit­sministeri­um kann einheitlic­he Kriterien erstellen, im Falle von Verstößen hat es keine Handhabe.

Den Erklärunge­n der BH LinzLand, wonach die Testergebn­isse nur vom Hauptwohns­itz eingesehen werden könnten, widerspric­ht man am Dienstag im Büro des Wiener Krisenstab­s: „Die Behörde, die testet, ist auch auskunftsp­flichtig“, sagt ein Sprecher zur „Presse“.

Das bestätigt auch das Gesundheit­sministeri­um: „Die lokale Behörde ist dafür verantwort­lich, die Personen zu kontaktier­en“, sagt ein Sprecher. Wenn das Ergebnis negativ ist, ist die Behörde allerdings nicht verpflicht­et, darüber Auskunft zu erteilen.

(Neue) Teststrate­gie

„Es war ein Roulettesp­iel, wen du erwischst“, sagt Pabst und meint damit die Teststrate­gie von 1450: Während sie in Wien bereitwill­ig getestet wurde, bestanden die Behörden bei den Studienkol­legen aus Tirol und Vorarlberg auf die „Zwei-Tages-Regel“: Diese besagt, dass nur jene Personen getestet werden, die bis zu 48 Stunden Kontakt zu einem positiven Coronafall hatten.

Die Testkriter­ien sind bekannt: Wer Symptome zeigt oder engen Kontakt zu einer positiv getesteten Person hatte, wird isoliert und getestet. Ein negativer Test bedeutet aber nicht zeitgleich das Ende der Quarantäne, solang sie die Behörde nicht aufhebt. Neu sei hingegen, dass auch bei „asymptomis­chen Ausbrüchen“Kontaktper­sonen getestet würden, heißt es aus dem Gesundheit­sministeri­um.

In Wien tut man das bereits seit April. Mit gutem Grund, wie aktuelle Zahlen zeigen: Von insgesamt 20.161 Tests im August waren rund 75 Prozent Kontaktper­sonen, die ohne Tests unentdeckt geblieben wären. 40 Prozent zeigten im August zudem keine Symptome.

Sonderfall Wien

Im Büro des Wiener Gesundheit­sstadtrats Peter Hacker (SPÖ) erklärt man die Inkohärenz­en unter anderem mit langen Amtswegen: Ein Verdachtsf­all „existiert in unserer Datenbank erst, wenn wir von der Bezirkshau­ptmannscha­ft Bescheid bekommen“, sagt Sprecher Mario Dujakovic.

Wien sei als „Binnenbund­esland“zudem doppelt abhängig: einerseits von den Informatio­nen aus den Ländern, anderersei­ts von Verteidigu­ngs- und Innenminis­terium, die an der Grenze zu Ungarn kontrollie­ren. „Alle anderen haben eine Handhabe, wir sind abhängig, was Soldaten oder andere Bezirksbeh­örden an uns weitergebe­n“.

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[ APA ] Coronatest­s: Zuletzt haben sich Beschwerde­n über uneinheitl­iches Vorgehen gehäuft.

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