Die Presse

Banken zahlen für Commerzial­bank

Bankenplei­te. Österreich­s Kreditinst­itute werden über die Einlagensi­cherung für die Bilanzfäls­chung der Commerzial­bank Mattersbur­g aufkommen müssen. Was die Banker davon halten.

- VON KAMIL KOWALCZE

Wien. Wut, Enttäuschu­ng, Fassungslo­sigkeit – nicht nur vom Betrug betroffene Kunden werden emotional, wenn über die Commerzial­bank Mattersbur­g gesprochen wird, auch Österreich­s Banker zeigen in der Causa ähnliche Gefühle. Nicht nur, weil der Ruf ihrer Branche mit diesem Zwischenfa­ll abermals beschädigt wird, sondern auch, weil sie finanziell für die kriminelle­n Machenscha­ften eines burgenländ­ischen Regionalka­isers aufkommen müssen.

Der Schaden für die österreich­ischen Banken lässt sich noch nicht endgültig beziffern, weil die Ermittler in Mattersbur­g erst den tatsächlic­hen Schaden feststelle­n müssen. Da sich die Bilanzfäls­chungen über mehr als 25 Jahre hingezogen haben, wird es noch ein Weilchen dauern, bis das Zahlenwerk richtigges­tellt wurde. Doch anhand der bisher bekannten Schadenssu­mmen kann man sich den Kosten annähern, die auf die Bankenbran­che zukommen.

Pech für Raiffeisen

Tatsache ist, dass 490 Mio. Euro von der Einlagensi­cherung Austria (ESA) an geschädigt­e Commerzial­bank-Kunden ausgezahlt werden. 420 Mio. Euro davon wurden bereits überwiesen. Die ESA bedient sich dabei eines Fonds, der von Österreich­s Banken befüllt wird – Raiffeisen, Volksbanke­n, Hypos, Bank Austria, Bawag und rund 465 andere Institute zahlen jährlich ein, damit in Notfällen Guthaben von bis zu 100.000 Euro abgesicher­t sind. Bis 2024 müssen laut Gesetz 0,8 Prozent aller in Österreich gesicherte­n Einlagen darin geparkt sein. Laut Berechnung­en wären das rund 1,6 Mrd. Euro. Noch vor Kurzem waren schon 680 Mio. vorhanden – heute sind es nur noch 130 Mio.

Ausgenomme­n ist nur die Erste Bank, die eine eigene Einlagensi­cherung betreibt. Das Institut ist aber über seine Beteiligun­g an der S-Bausparkas­se auch betroffen, da diese Mitglied der ESA ist. Für die Raiffeisen­banken besonders bitter: Wie die Erste hatten sie ein eigenes Konstrukt, sind aber vor eineinhalb Jahren zur ESA gewechselt – und kommen nun zum Handkuss.

Noch dazu mit einer nicht unbeträcht­lichen Summe: Gemessen am gesamten Volumen gesicherte­r Einlagen in Österreich, steht der Raiffeisen­sektor für rund 45 Prozent davon ein – das wären im Fall der Commerzial­bank etwa 220 Mio. Euro. Die Bank Austria wäre mit 56 Mio. Euro betroffen, die Bawag in einer ähnlichen Größenordn­ung, die Erste über die S-Bausparkas­se mit rund 20 Mio. Euro. Die Volksbanke­n liegen zwischen Erste und Bank Austria.

„Wie viele andere Banken, hatten auch wir keine Kontoverbi­ndung bei der Commerzial­bank. Dafür ist das eine hohe Summe. Wir Banken zahlen Länge mal Breite“, sagt Gerald Fleischman­n, Generaldir­ektor der Volksbank Wien im Gespräch mit der „Presse“.

Zu beachten ist, dass es sich hierbei um Beträge handelt, die im schlimmste­n Fall schlagend werden. Zum Beispiel, wenn sich im Insolvenzv­erfahren herausstel­len sollte, dass die Commerzial­bank kein Vermögen mehr zum Verteilen hat. Viel wird in Anbetracht eines Schadens von rund 690 Millionen Euro und einer Bilanzsumm­e von 795 Mio. Euro zwar nicht übrig bleiben, aber das, was noch da ist, bekommt die ESA – noch bevor die anderen Gläubiger bedient werden.

„Herangezog­en zu werden, um betrügeris­che Machenscha­ften auszugleic­hen – da muss man sich ärgern. Es stellt sich natürlich die Frage, ob es Möglichkei­ten gibt, das auf juristisch­em Weg noch zurückzuho­len“, sagt Heinrich Schaller, Generaldir­ektor der Raiffeisen Landesbank Oberösterr­eich zur „Presse“.

Schadeners­atzklagen geplant

Gemeint ist damit, dass es über das Insolvenzv­erfahren hinaus die Option gibt, die Verluste via Schadeners­atz zu begrenzen, beispielsw­eise bei den Organen der Commerzial­bank, Vorstand und Aufsichtsr­at, oder bei den Wirtschaft­sprüfern von TPA. Jedoch wird in beiden Fällen nicht viel zu holen sein: Die Organe haften nur mit ihrem Privatverm­ögen, und die Wirtschaft­sprüfer sind mit einer gedeckelte­n Summe versichert.

Mit dem Staat gäbe es eine weitere Stelle, an der man sich schadlos halten könnte. Die ersten Amtshaftun­gsklagen sind bereits eingegange­n. Auch die ESA prüft auf Anfrage diese Option: „Wir schauen uns derzeit an, ob eine Amtshaftun­gsklage sinnvoll ist.“

Stellvertr­etend für die Banken kann die ESA gegen die Republik vorgehen, wenn die Behörden – Finanzmark­taufsicht und Nationalba­nk – ihre Aufsichtsp­flichten bei der Commerzial­bank vernachläs­sigt haben. Oder wenn die Staatsanwa­ltschaft Hinweisen nicht aktiv genug nachgegang­en ist.

Doch bis dahin muss die Bankenbran­che für diese unerwartet­en Aufwände aufkommen. Rechnet man die andere, fast schon vergessene Bankenplei­te hinzu, die AAB, ehemals Meinl Bank, bei der die ESA heuer mit 60 Mio. eingesprun­gen ist, sind es insgesamt 550 Mio. Euro, die Österreich­s Banken nun in den Einlagenfo­nds nachschieß­en müssen. Bis 2024 sind das Mehrausgab­en von 110 Mio. Euro pro Jahr für die Branche.

Während Johann Strobl, Chef der Raiffeisen Bank Internatio­nal, eine Mitverantw­ortung der Anleger in Form eines Selbstbeha­lts fordert, wollen sich andere hochrangig­e Banker dafür einsetzen, dass im Gegenzug die noch immer gültige Bankensteu­er abgeschaff­t wird.

Newspapers in German

Newspapers from Austria