Die Nones und die Church-going People
Deutsch für Inländer, Folge 13. Diese Fremdwörter! Entweder sind sie überflüssig oder frei erfunden, um politische Botschaften zu verbreiten.
Fremdwörter hat es immer gegeben, früher waren es vorwiegend lateinische und häufig französische und sie wurden oft nur von einer gebildeten Schicht verstanden. Solche Wörter zu verwenden mag einem Bildungsdünkel entsprungen sein, allerdings fanden manche auch den Weg in die Volkssprache wie etwa das aus dem Französischen stammende Wort Brasletten, von bracelet, Armband. Noch meiner 1906 geborenen Mutter war es ganz geläufig.
Neuerdings gibt es aber eine Gattung von Fremdwörtern, die eine politische Botschaft verbreiten wollen und mit großer Entschlossenheit verwendet werden. Sie dienen auch der Selbstverständigung von Gruppen und der Durchsetzung ihrer spezifischen Interessen, vor allem soll damit ihr Opferstatus definiert werden. So werden etwa Gruppen, die angeblich oder wirklich diskriminiert sind, als vulnerabel bezeichnet. Verletzlich wäre zu banal. Eingeborene, die automatisch zu den Opfern zählen, heißen unbedingt Indigene.
Von einem strengen Leser bin ich darauf aufmerksam gemacht worden, dass ich am 30. Juni an dieser Stelle ein englisches Wort verwendet habe, das bei uns niemandem geläufig ist und deshalb unter Anführungszeichen gestellt gehört hätte: Nones. Gemeint waren damit Menschen in den USA, die sich keiner Religionsgemeinschaft zugehörig fühlen. Ebenso unnötig sei der Anglizismus Church-going People gewesen. In diesem Fall stand der Begriff zwar unter Anführungszeichen, war aber trotzdem unangebracht. Ich muss dem Leser in beiden Fällen etwas zerknirscht recht geben.
Zu wenig Attention bekommen. Dieses Fremdwort ist nur wichtigtuerisch. Was ist am deutschen Aufmerksamkeit so schlecht?
Dystopist. Kann mir ein geneigter Leser erklären, was das bedeutet? Sebastian Kurz wurde im ORF-Radio so bezeichnet.
Es ist ein Kreuz mit Latein und mit Fremdwörtern aus dem Lateinischen: Eine Personalia stand in dieser Zeitung zu lesen. Es handelt sich bei dem Wort aber um einen Plural. Als deutsches Lehnwort heißt es die Personalie.
Immer wieder versorgen mich Kollegen unfreiwillig mit Anschauungsbeispielen dafür, dass man Latein nur verwenden soll, wenn man es beherrscht: Qua definitionem ist falsch, weil qua den Ablativ verlangt. Per definitionem wäre richtig gewesen. Ziemlich oft wird per mit dem Ablativ verwendet, obwohl es den Akkusativ verlangt.
Die Gartenzwergmentalität der Bevölkerung mit seinem Hang zu Verschandelung treibt absurde Blüten. Dieser Satz des Schrift
stellers Franzobel ist ein Beispiel dafür, dass auch Literaten nicht davor gefeit sind, gängigen Fehlentwicklungen der Sprache auf den Leim zu gehen. Wenn sich das
seinem auf die Mentalität bezöge, wäre es ebenso falsch wie wenn damit die Bevölkerung gemeint wäre. Beide sind weiblich, daher hätte es heißen müssen: Ihrem.
Man sagt auch nicht: Die Frau kämmt sich sein Haar. Allenfalls kämmt sie ihrem Mann sein Haar. Dekane-Erklärung stößt Volksbegehren bitter auf. Darf man sich das wörtlich vorstellen? Es wäre ziemlich ungustiös.
Der Mann besaß eine illegale Waffe. Nicht die Waffe ist illegal, nur ihr Besitz. Daher: Der Mann besaß die Waffe illegal.
Auch das fiel der SPÖ als Erste auf den Kopf. Was ist der SPÖ da auf den Kopf gefallen. Das Erste?
Mehr Geld im Börserl. Sein Haushaltseinkommen, das gemeint war, trägt niemand im Geldtaschl herum.
Welches der drei Wörter soll ich als das Unwort des Jahres bezeichnen: zeitnah, für zeitunkritische Anliegen (Tonband der Wiener Gebietskrankenkasse), Heran
gehensweise?
Die Wolken werden weniger.
Die ORF-Wetterredaktion wird’s nicht mehr lernen.
Beide Videos gingen viral. Ich weiß immer noch nicht, was das heißen soll und woher es kommt. Hat es etwas mit Virus zu tun?
Meine Kinder spotteten seinerzeit über ihren Mathematikprofessor, dessen Aufgaben bei den Schularbeiten häufig mit folgendem Imperativ endeten: . . . gebe
die Lösungsmenge an. Er glaubte wahrscheinlich, gib sei, obwohl richtig, eine Dialektform und gehöre sich daher in einem Gymnasium nicht. Ähnlich wird es sein, wenn ein Kollege schreibt: Trete zurück! Vielleicht meint er, tritt zurück klinge zu gewalttätig.
Es gibt Vokabel, die zwar richtig sind und den Schreibern sicher auch bekannt, die man aber für irgendwie unpassend hält. Man wählt dann lieber ein falsches. Ein Beispiel dafür: Geschlagenes Holz.
Hat da jemand auf das Holz draufgeschlagen? Nein. Gemeint war ge
schlägertes Holz. In einem Waldland wie der Steiermark, wo das zu lesen stand, braucht man keine Scheu vor dem Wort schlägern zu haben.
Sonderbriefmarken zu Goldenem Priesterjubiläum vom Papst. Im Aufsichtsrat vom Mutterkonzern. Diese Bildung des Genetivs wird immer häufiger. Hier eignet sich die Umgangssprache aber nicht für das Schriftliche.
Die Vorsitzende der Front National. Man muss sich entschei
den: Entweder des Front National oder der Nationalen Front.
Wir werden ab Oktober die Formulare zur Verfügung stellen, um den Anspruch monatlich in der Lohnverrechnung geltend zu machen. Das ist ein klassisches Beispiel für österreichischen Amtsjargon, bei dem sich die Katze (das Amt) in den Schwanz beißt.
Mehr als doppelt so hoch als
vor einem Jahr. Es müsste heißen: doppelt so hoch wie.
Damit müssen wir uns jedes Jahr beschäftigen: FPÖ verwehrt sich gegen Pauschalverurteilung,
stand in der APA. Weiter unten las man: Deutscher Datenschützer
wehrt sich gegen Kritik. Gemeint war beide Male dasselbe, also muss eine Wendung falsch sein. Es sei wieder einmal erklärt: Ich wehre mich gegen die Unterstellung; ich verwehre Dir den Eintritt; ich verwahre mich dagegen, dass Sie mich einen Dilettanten nennen.
Heute kauft die Band spielend die Stadthalle aus („Die Presse“). Man ahnt, was damit gemeint ist, aber deutsch ist es nicht.
Fast hätte der Skiweltcup ohne dem Besten seiner Zunft auskommen müssen. Ohne dem dort vorge
sehenen Kreuz. Wie oft soll ich noch sagen müssen, dass ohne den Akkusativ verlangt?
. . . unzufriedenstellenden europäischen Migrationspolitik. Unzurechnungsfähig. Die Vorsilbe unals Negation des Begriffs ist eine sehr praktische Einrichtung der deutschen Sprache, man kann sie aber auch falsch verwenden.
Ulrike Lunacek, die ehemalige grüne Spitzenkandidatin bei der Nationalratswahl. Lunacek war bei der Wahl nicht die ehemalige Kandidatin, sondern die aktuelle. Richtig wäre also gewesen: Ulrike Lunacek, die Spitzenkandidatin der Grünen bei der (unterdessen) vorletzten Nationalratswahl.
Was der Rendi-Plan bezwecken soll. Eine in Österreich sehr beliebte, aber falsche Wendung. Das sollen drückt bereits den Zweck aus. Daher: Was der Rendi-Plan be
zweckt. Rendi-Wagner lässt Basis
über sie abstimmen. Über wen oder was hat PRW abstimmen lassen? Nach dieser Formulierung jedenfalls nicht über sich.
Pamela Rendi-Wagner urlaubt in Zypern. An das Wort urlauben, das ich für grässlich halte, werde ich mich leider gewöhnen müssen.