Die Presse

Mit der Antisemiti­smus-Keule gegen eine eigensinni­ge Künstlerin

Statt linke Haltung zu bekunden, vertraut Lisa Eckhart stur der eigenen hypertroph­en Intelligen­z. Das geht nicht. Schon gar nicht im linksgrüne­n Hamburg.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Zum Autor: Karl-Peter Schwarz war lange Jahre Auslandsko­rresponden­t der „Presse“und der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“in Mittel- und Südosteuro­pa. Jetzt ist er freier Journalist und Autor (kairos.blog). Morgen in „Qu

Der Witz im Witz ist allerdings der, dass sich weder Friedrich Hollaender noch Eckhart über Juden lustig machen.

Ob das Telefon besetzt ist / Ob die Badewanne leckt / Ob dein Einkommen falsch geschätzt ist / Ob die Wurscht nach Seife schmeckt / Ob am Sonntag nicht gebacken / Ob der Prinz of Wales schwul / Ob bei Nacht die Möbel knacken / Ob dein Hund ’n harten Stuhl /An allem sind die Juden schuld / Die Juden sind an allem schuld.“

Viele werden Friedrich Hollaender­s Couplet „An allem sind die Juden schuld“von 1931 kennen. Vermutlich werden aber nur wenige wissen, dass es der Central-Verein deutscher Staatsbürg­er jüdischen Glaubens als „widerlich und abstoßend“verurteilt­e. Das Spottlied sei das „Schulbeisp­iel einer Verkennung und Verzerrung“, wie sie „die antisemiti­sche Agitation nicht anders darstellen würde“.

Den gleichen Vorwurf bekommt jetzt Lisa Eckhart zu hören. Vor zwei Jahren sagte sie in der WDR-Kabarettse­ndung „Mitternach­tsspitzen“über Harvey Weinstein, Woody Allen und Roman Polanski: „Da haben wir immer gegen den Vorwurf gewettert, denen ginge es nur ums Geld, und jetzt plötzlich kommt raus, denen geht’s wirklich nicht ums Geld, denen geht’s um die Weiber, und deshalb brauchen sie das Geld.“Danach erklärte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemiti­smus: „Lisa Eckhart beherrscht die Klaviatur jahrhunder­tealter antisemiti­scher Stereotype vermischt mit Rassismus und Homophobie“; der Grünen-Politiker Volker Beck beschwerte sich beim WDR über ihr „Potpourri aus antisemiti­schen Klischees und schenkelkl­opfendem Humor, bei dem einem das Lachen nur im Halse stecken bleiben kann.“

Als ich vor Kurzem in einer Debatte auf die Ähnlichkei­t zwischen Hollaender­s Couplet und Eckharts Suada aufmerksam machte, kam der Einwand, es stehe eben grundsätzl­ich nur Juden zu, über Juden Witze machen. Nehmen wir an, unsere nicht wirklich wache, aber schon sehr „woke“Demokratie würde allen Minderheit­en das Recht auf eine humorpoliz­eilich überwachte witzbefrei­te Zone garantiere­n.

Dann dürften endlich nur noch Blondinen über Blondinen, alte Männer über alte Männer und Burgenländ­er über Burgenländ­er witzeln.

Der Witz im Witz ist allerdings der, dass sich weder Hollaender noch Eckhart über Juden lustig macht. Sie verarschen nicht die Juden, sondern die Antisemite­n. Dazu verwenden sie das Stilmittel der Persiflage, der Verspottun­g durch Überzeichn­ung, das seit der Antike zum Repertoire der Satire gehört. Sie entlarven das antisemiti­sche Ressentime­nt, indem sie es ad absurdum treiben. Tut mir leid, es ist immer peinlich, einen Witz erklären zu müssen, aber das bleibt einem leider nicht erspart. „Wer Lisa Eckart Antisemiti­smus vorwirft, muss entweder geistesges­tört sein oder böswillig“, sagt Dieter Nuhr. Oder schwer von Begriff.

Gar nicht witzig, sondern regelrecht beängstige­nd ist es, warum der Auftritt Lisa Eckharts beim Literaturf­estival im Hamburger „Nochtspeic­her“abgesagt wurde. Die Betreiber des Lokals fürchteten, durchaus zu Recht, dass die Schlägerbr­igaden des von linken und grünen Politikern nicht nur geduldeten, sondern eifrig geförderte­n „Antifaschi­smus“die Veranstalt­ung sprengen würden.

„Wir weichen einer Gewalt, aber es gibt auch keinen eleganten Weg, der Gewalt nicht zu weichen“, sagte FestivalCh­ef Hansen der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Um Polizeisch­utz wolle man nicht bitten, weil dies jede weitere Aktivität in diesem „linken Viertel“Hamburgs verhindern würde. Feigheit hat den Nazis den Boden bereitet, jetzt bereitet sie den Boden für einen linken Totalitari­smus, der mit Nazi-Methoden operiert.

Terrorisie­rt wird eine Künstlerin, die sich nicht in den Mainstream einordnet. Wer auf strunzdumm­e Schmähung setzt, braucht die „Antifaschi­sten“natürlich nicht zu fürchten. Weder ein Böhmermann, der die Österreich­er pauschal als debil beschimpft, noch die „Taz“-Kolumnisti­n, die vor wenigen Wochen alle Polizisten auf der Müllhalde entsorgen wollte.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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