Die Presse

Angst vor Coronapart­ys am Balkan

Infektione­n. Die Zahl positiv getesteter Urlauber steigt. Wird Kroatien das neue Ischgl?

- VON JULIA WENZEL

Kroatien als neues Ischgl? Viele neue Fälle kommen aus dem Urlaub in Kroatien.

Wien. „Eine Maske habe ich am Strand kein einziges Mal gesehen“, erzählt die 19-jährige Eva, die Ende Juli eine Woche auf der Insel Pag in der kroatische­n Adria verbrachte. Wie auch viele deutsche Maturanten (siehe Artikel auf Seite 4) hatte die Wienerin mit zehn ehemaligen Schulkolle­gen in Novalja ein Appartemen­t gemietet. Nach der Rückkehr wurden fünf von zehn positiv auf Corona getestet. Nur ein Beispiel von vielen Urlaubern, die nach einer Reise auf den Balkan nun infiziert zurückkomm­en.

Eine Rolle spielen dabei nicht nur serbische, kroatische und bosnische Communitys, die im Laufe des Augusts von ihrem Heimatbesu­ch zurückkehr­en werden, sondern auch viele Urlauber. In Oberösterr­eich wurden zuletzt sechs Infektione­n auf eine Bar in Makarska zurückgefü­hrt, auch in anderen Bundesländ­ern werden zahlreiche Neuinfekti­onen mit kroatische­n Orten in Verbindung gebracht.

Lasche Kontrollen, teils inkohärent­e Reisewarnu­ngen und leichtsinn­iges Verhalten Einzelner sind Gründe dafür.

Kontrollen

In den vergangene­n Tagen waren 50 Prozent der Neuinfekti­onen in Österreich Reiserückk­ehrer. In Tirol verschärft­e man am Donnerstag deshalb die Gesundheit­skontrolle­n an der Grenze zu Italien. Denn Balkan-heimkehrer könnten großräumig über den Brenner ausweichen, um Kontrollen in der Steiermark, Kärnten oder dem

Burgenland zu umgehen, hieß es. Italien testet inzwischen Rückkehrer aus Kroatien, Spanien und Griechenla­nd.

In Österreich ist das derzeit nicht geplant: Auf „Presse“-Anfrage heißt es aus dem Gesundheit­sministeri­um, dass die „Gesundheit­skontrolle­n bei Einreisend­en noch weiter verstärkt“würden. Seit Anfang August habe man „mehr als 500.000 gesundheit­sbehördlic­he Grenzkontr­ollen“durchgefüh­rt, am Mittwoch rund 33.000, heißt es zur „Presse“. Von Testungen an der Grenze ist keine Rede.

Man appelliere weiterhin an die Bevölkerun­g, Mindestabs­tand, Handhygien­e sowie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes einzuhalte­n. Das gehöre „zu einem verantwort­ungsvollen Reisen dazu“.

Reisewarnu­ng

Kroatien gilt derzeit als Insel der Seligen. Während Bosnien, Serbien, Albanien, Montenegro, Kosovo, Rumänien, Bulgarien – und damit beinahe die gesamte Balkanhalb­insel – als Risikogebi­et eingestuft sind, galt Kroatien wegen vermeintli­ch niedriger Infektions­zahlen bisher als sicher. Ob sich das bald ändert, wolle man „laufend evaluieren“, heißt es aus dem Gesundheit­sministeri­um. Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) nannte am Donnerstag eine Reisewarnu­ng für Kroatien bereits als „diskutiere­nswert“.

Die auffallend niedrigen Zahlen veranlasst­en kroatische Medien zuletzt zu Spekulatio­nen, die Behörden könnten sie frisieren. Immerhin verweilen derzeit rund 660.000 ausländisc­he Touristen im Land. Das zuletzt durch einen Höchststan­d an Neuinfekti­onen auffallend­e Griechenla­nd fehlt ebenfalls in der Liste jener 31 Staaten, für die das Außenminis­terium ein „hohes Sicherheit­srisiko“erkennt. Ob das an der EU-Mitgliedsc­haft dieser beiden Staaten liegen mag?

Bewusstsei­n

Ob es vielleicht am (jugendlich­en) Leichtsinn liegt, dass sich viele Urlauber anstecken, fragt man sich mitunter, wenn man Rückkehrer­n zuhört: „Es war unmöglich, Abstand zu halten“, sagt Eva über jene drei Abende, die sie mit Freunden auf dem Zrce-´Strand verbrachte.

Die Festivals und Clubs, die den Strand auf Pag in der Vergangenh­eit zum Party-Mekka für junge Deutsche und Österreich­er machten, hätten „ganz normal geöffnet, als gäbe es kein Corona“, sagt die 19-Jährige. Masken würden, wenn überhaupt, nur die Kellner tragen.

Wo sie sich angesteckt habe, weiß Eva nicht genau – angesichts feiernder Maturanten und maskenlose­r Taxifahrer wenig verwunderl­ich. Ihr Urlaubsfaz­it? „Mich hat es gewundert, dass Kroatien nicht als Risikoland gilt.“

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[ Schmid/picturedes­k.com ] Ein Bild aus besseren Zeiten: Die Clubs in Zrce´ Beach sind bei Jungen beliebt. Masken sind dort aber Mangelware.

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