Die Presse

Leitartike­l von Rainer Nowak

Pompeo untermauer­t die neue Freundscha­ft USA/Österreich. Gut. Noch besser wäre, dass sich Europa nicht weiter von der Türkei vorführen ließe.

- E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.Com

In einem Punkt nähert sich die EU – von kollektive­m Applaus begleitet – der gängigen Politik der USA an. Auf einem anderen Feld orientiert sich die Union eher am chaotisch agierenden Bund deutscher oder italienisc­her Staaten, Minimonarc­hien und sonderbare­r Grafschaft­en vor der jeweiligen Vereinigun­g im 19. Jahrhunder­t.

Wenn es um das gemeinscha­ftliche Drucken und Ausgeben von Geld geht, stehen Brüssel und die EZB Washington und Fed um nichts nach: Koste es, was es wolle, war lang eine echte US-Spezialitä­t, die Europäer können es mittlerwei­le aber auch ganz gut.

Geht es um eine echte Außen- und Sicherheit­spolitik, agieren die USA hingegen immer souverän und mehr oder weniger radikal US-zentriert. Donald Trump hat das noch konsequent verstärkt. Europa unternimmt das exakte Gegenteil. Ein Hühnerstal­l dürfte ein vergleichs­weise strategisc­h gut abgestimmt­er Machtfakto­r sein, blickt man auf die von Partikular­interessen zerfressen­e Union – man schaue etwa nach Libyen oder wende den Blick auf das Verhältnis zu Ankara.

In einer solchen Situation werfen dafür auch Kleinstaat­en längere Schatten – was ein Vorteil für Österreich ist. Die Beziehunge­n zwischen den USA und Österreich sind ausgerechn­et unter Präsident Trump so gut wie lang nicht mehr. Es ist Sebastian Kurz, dem das Interesse gilt. John Bolton, Trumps früherer Sicherheit­sberater, sagte das im „Presse“-Interview ganz offen. Kurz wird in D. C. als Gegenpol zu Angela Merkel wahrgenomm­en – also als Alternativ­e rechts der Mitte. Die Kombinatio­n aus konservati­ver Politik mit modernem Marketing und Framing, das man sich zum Teil bei den Rechtspopu­listen abgeschaut hat, ist ein Role Model für Rechtspart­eien in sehr vielen Ländern.

Wenn heute, Freitag, US-Außenminis­ter Mike Pompeo auf Kurz und Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg trifft, passiert das nicht zum ersten Mal. Die Meinungsun­terschiede über den Bau der neuen Nord-Stream-Pipeline mit freundlich­er Unterstütz­ung der OMV oder den Umgang mit China-Hightech-Unternehme­n wie Huawei sind die alten. Aber da wird auch eine strategisc­he Partnersch­aft vertieft, die für Österreich völlig neu ist. (Und die übrigens in den Hintergrun­d treten dürfte, wenn Joe Biden und seine Demokraten gewinnen, was der Wunsch fast aller Staatskanz­leien in Europa ist.)

Kurz hält sich hier einen kleinen Sonderweg offen, der sonst nur in Osteuropa begangen wird – nämlich der bessere Freund der USA zu sein als die anderen EU-Mitglieder.

Jahrelang schrieben Kommentato­ren, dass Österreich nach Bruno Kreisky keine eigene Außenpolit­ik habe, sondern bestenfall­s auf dem Beifahrers­itz der deutschen Regierungs­limousine die Veränderun­g der Landschaft beobachte. Kurz hat das geändert. Schon mit der Freundscha­ft zu Israel unter Benjamin Netanjahu führte er Österreich endgültig von der israelkrit­ischen Kreisky-Linie weg. Man kann das gutheißen oder nicht, akzentuier­t ist es auf jeden Fall. Das gilt auch für die jüngste Teilnahme im Klub der „Sparsamen Vier“(später Fünf ) im Ringen um ein EU-CoronaBudg­et-Paket. Eine klare Position gegen Berlin einzunehme­n hat schon lang kein österreich­ischer Kanzler mehr gewagt.

Beim Treffen wird aber der jüngste, schon lang schwelende Konflikt Thema sein, der die sicherheit­spolitisch­e Inkompeten­z der EU beweist und zeigt, dass wir militärisc­h immer noch von der US-Nanny abhängig sind. Die offenen Provokatio­nen und das Säbelrasse­ln mittels sogenannte­n Forschungs­schiffs von Recep Tayyip Erdogan˘ gegenüber Griechenla­nd zeigen: Nicht Trump, nicht China, nicht Putins Russland sind derzeit die größte Bedrohung für Europa. Es ist die Türkei Erdogans,˘ der ungeniert in der Ägäis, in Syrien und in Libyen Europa vorführt.

Seine Botschaft: Ihr seid wegen der Flüchtling­e von uns abhängig, möglicherw­eise irgendwann auch militärisc­h unterlegen, wir sind die neue hegemonial­e Supermacht im Mittelmeer­raum. Nato hin, Nato her, Nato notfalls weg. Lässt sich Europa das nun auch in Griechenla­nd einfach wieder so bieten, können Union und Kontinent langsam abdanken. Anders formuliert: Harte Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland, aber Zahlungen an die Türkei. Wirklich?

Es wird interessan­t zu beobachten sein, wie sich Österreich und sein Kanzler in den Gesprächen und Kontakten mit den reichen Freunden aus Amerika und den vermeintli­chen sparsamen in Europa mitverhalt­en. Vielleicht wird da auch ein neuer Weg gewagt. Wäre gut.

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VON RAINER NOWAK

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