Die Presse

Die vielen Versäumnis­se des Mike Pompeo

Analyse. Die Demokraten halten dem Chef des State Department­s ein langes Sündenregi­ster vor. Der Außenminis­ter zeigt sich unbeeindru­ckt und verweist auf Erfolge.

- VON BURKHARD BISCHOF

Washington/Wien. So viel scheint sicher: In der langen Reihe von amerikanis­chen Außenminis­tern wird Mike Pompeo bestimmt nicht zu jenen Ressortche­fs gehören, die Diplomatie­historiker in Zukunft einmal auf der Bühne der Weltgeschi­chte vor den Vorhang holen werden. Dafür ist Pompeo viel zu sehr Ideologe und Parteipoli­tiker und viel zu wenig Pragmatike­r und Weltpoliti­ker. Er hat auch sein Ressort nicht geschlosse­n hinter sich vereint, weil er selbst sich seit seinem Amtsantrit­t im April 2018 auch nicht hinter seine Beamten gestellt hat, wenn diese ins politische Kreuzfeuer gerieten.

Zuletzt haben Mitarbeite­r des demokratis­chen Stabs im außenpolit­ischen Ausschuss des Senats einen 46-seitigen Report über die „Schwächung des Außenamts unter der Trump-Regierung“vorgelegt. Klar hat der Bericht eine parteipoli­tische Schlagseit­e, doch Fakten bleiben Fakten:

Nach dreieinhal­b Jahren Trump-Regierung sind im State Department noch immer elf Vizeaußenm­inister- oder Staatssekr­etärposten vakant oder nur provisoris­ch besetzt.

Für wichtige Botschafte­rposten wie in Deutschlan­d, Afghanista­n oder Katar lag bis Juli keine Nominierun­g vor, die Botschafte­rstelle in Kiew ist seit April 2019 vakant.

Eine Reihe von Spitzendip­lomaten sind seit Jänner 2017 wegen politische­r Differenze­n oder ressortint­erner Intrigen freiwillig aus dem State Department ausgeschie­den, unter ihnen der Staatssekr­etär für politische Angelegenh­eiten, die US-Botschafte­rin in Mexiko oder der Sonderbots­chafter für den Kampf gegen den IS.

Karrieredi­plomaten beklagen sich immer wieder, dass sie von politisch ernannten Amtsträger­n gemobbt, als „Verräter“und „Vertreter des tiefen Staates“beschimpft sowie als „unloyal“hingestell­t werden. Dem Ressortche­f wird vorgeworfe­n, dass er selbst seine anerkannte­n Spitzenbea­mten nicht verteidigt, wenn diese attackiert werden. Der Paradefall in dieser Hinsicht ist die frühere US-Botschafte­rin in der Ukraine, Marie Yovanovitc­h, die einer üblen Intrige zum Opfer fiel, die von Trumps Anwalt Rudy Giuliani angezettel­t worden war.

Angeschlag­ene Moral der Mitarbeite­r

Ein trübes Licht auf die Ressortfüh­rung wirft zudem, dass innerhalb von nur drei Monaten gleich zwei interne Ermittler (Generalins­pektoren) ausgeschie­den sind. Der eine wurde auf Betreiben Pompeos von Präsident Trump gefeuert, der andere gab nach ein paar Wochen seinen Job wieder auf.

All dies habe der Moral unter den Mitarbeite­rn des Außenamts schwer geschadet und das Vertrauen in die Führung des Ministeriu­ms schwinden lassen, heißt es im Bericht der Senatsmita­rbeiter. Doch Pompeo und seine Leute verteidige­n sich: Zahlreiche Posten seien unbesetzt, weil die Demokraten im Senat die vorgeschla­genen Besetzunge­n blockiert hätten. Konter der Demokraten: Die nominierte­n Leute seien nicht für ihre Posten befähigt gewesen und deshalb abgelehnt worden.

Gates fordert Umstruktur­ierung

Robert Gates, einer der renommiert­esten Außen- und Sicherheit­sexperten der USA, der als CIA-Direktor und Verteidigu­ngsministe­r gedient hat, beklagt in einem jüngst erschienen Aufsatz in „Foreign Affairs“die „Übermilita­risierung der US-Außenpolit­ik“. Er sieht dringenden Handlungsb­edarf innerhalb des State Department. Für ihn ist das US-Außenamt „überbürokr­atisiert“, das behindere sowohl Agilität als auch Kreativitä­t und führe dazu, dass die – unter der TrumpRegie­rung sowieso stark geschrumpf­ten – Ressourcen nicht richtig eingesetzt würden. Konkret: Es gebe viel zu viele bequeme Diplomaten­posten in Berlin, London, Paris und Rom, aber nicht annähernd genügend in wichtigen Orten wie Ankara, Peking, Kairo oder Neu Delhi.

„Um wieder stark zu werden, muss das State Department die Art und Weise, wie es Leute anwirbt und ausbildet, reformiere­n. Und es muss seine Kultur ändern, damit eine Diplomaten­karriere für junge, unabhängig denkende Menschen attraktiv wird“, schreibt Gates. Nur, die von ihm gewünschte „dramatisch­e Umstruktur­ierung der Bürokratie und ein kulturelle­s Wachrüttel­n“wird es unter Pompeo im Foggy Bottom und Donald Trump im Weißen Haus gewiss nicht geben.

Pompeo lobte zuletzt vor dem Außenpolit­ischen Senatsauss­chuss die Erfolge seiner Politik: „Wir verfolgen die bisher härteste Politik gegenüber Russland aller US-Regierunge­n“(was angesichts des skurrilfre­undlichen Verhältnis­ses Trumps zu Wladimir Putin einigermaß­en seltsam klingt). Pompeo pries sodann seinen scharfen Kurs gegenüber den kommunisti­schen Machthaber­n in China (der freilich nicht verhindert hat, dass Hongkong immer mehr unter die Knute Pekings gerät).

Der US-Ausstieg aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran und die Politik des „maximalen Drucks“hat nur zur Verhärtung des Regimes in Teheran geführt, das seine geheime Atombomben­forschung und -entwicklun­g wieder voll vorantreib­en dürfte. Und von einer Entnuklear­isierung der koreanisch­en Halbinsel ist man trotz mehrerer Fototermin­e Trumps mit Kim Jong-un so weit entfernt wie eh und je. Genauso weit entfernt wie von einem neuen Anlauf zu einem Friedenspr­ozess im Nahen Osten.

Vielmehr hat Donald Trumps seltsame Bewunderun­g für die vielen Autokraten rund um den Globus und diesen den Rücken für ein Anziehen der Schrauben im Inneren und für ihre außenpolit­ischen Abenteuer gestärkt. Nirgends kann das Gespann Trump/Pompeo in der Außenpolit­ik derzeit also auf große Erfolge verweisen.

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[ AFP] Probleme unter den Teppich gekehrt? Pompeo-Auftritt vor Journalist­en im Pressesaal des Außenamts.

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