Die Presse

Das Virus als Urlaubssou­venir

Südosteuro­pa. Ob Gastarbeit­er oder Touristen: Immer mehr Reisende kehren aus den Ferien in Serbien, Kroatien oder dem Kosovo mit einer Corona-Infektion zurück.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad. Nach der Party ist vor der nächsten Party: Kaum waren die acht unternehmu­ngslustige­n Jungtouris­ten aus ihrem Urlaub auf der kroatische­n Insel Pag heimgekehr­t, machten sie sich in ihrer Stuttgarte­r Heimat zu einer Geburtstag­sfeier auf. Nicht bewusst waren sich die feierfreud­igen Partylöwen des gefährlich­en Urlaubssou­venirs, das sie sich in der kroatische­n Partyhochb­urg Novalja eingefange­n hatten – und nach der Heimkehr verbreitet­en: Laut Angaben der Stadt haben die tatendurst­igen Reiserückk­ehrer bei der Geburtstag­sfeier mindestens 16 weitere Personen infiziert.

Ob Gastarbeit­er auf Heimaturla­ub oder Touristen am Meeresstra­nd: Immer mehr Reisende kehren mit einer Covid-19-Infektion aus den Ferien zurück. Ob Kosovo, Kroatien, Serbien oder Türkei: Auffällig groß ist dabei der Anteil der Rückkehrer aus Südosteuro­pa unter den Neuinfizie­rten.

Im April und Mai waren die Infektions­zahlen in Südosteuro­pa noch auffällig niedrig. Doch nicht nur die Sorglosigk­eit der sehr kommunikat­iven und eher an soziale Nähe als Distanz gewohnten Balkanbewo­hner, sondern auch heimgekehr­te Gastarbeit­er und die Segnungen des Massentour­ismus haben seither die Viruskrise in den meisten Staaten der Region spürbar verschärft.

Geschönte Zahlen, wenige Tests

Zwar geben die Coronastat­istiken in den meisten Balkanstaa­ten wegen der geringen Zahl von Tests oder bewusst beschönigt­en Infektions­zahlen das tatsächlic­he Ausmaß der Pandemie kaum oder nur bedingt wieder. Doch der Trend zeigt bei den Infektions­zahlen auf dem Balkan seit Wochen klar nach oben. Zu spüren bekommen das auch die Heimatstaa­ten der oft viel zu sorglosen Reisenden. Ob in Deutschlan­d, Österreich oder der Schweiz: Die Zahl der Fälle von in Südosteuro­pa infizierte­n Reiserückk­ehrern nimmt zu.

Laut dem jüngsten Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist der Anteil der Reiserückk­ehrer an den in Deutschlan­d registrier­ten Neuinfekti­onen von zuvor 20 auf rund 30 Prozent gestiegen. In Österreich ist deren Anteil in den vergangene­n Tagen gar auf über 50 Prozent geklettert. In der RKI-Liste der Länder, aus denen die Covid-19-Fälle importiert wurden, liegt der kleine Kosovo klar vorn – vor der Türkei, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Bosnien und Herzegowin­a. In Österreich sind es derzeit vor allem positiv getestete Urlaubsrüc­kkehrer aus Kroatien, die die Infektions­zahlen in die Höhe schnellen lassen.

Gelten unter den heimkehren­den Touristen vor allem junge Partygänge­r als Risikogrup­pe, sind es oft Familienfe­ste, die sich für Gastarbeit­er auf Heimaturla­ub als fataler Ansteckung­sherd entpuppen.

Auch wegen der niedrigere­n Kosten lassen Arbeitsemi­granten ihre Hochzeiten lieber während der Sommerferi­en im Kosovo, in Kroatien oder Serbien steigen statt an ihren deutschen, österreich­ischen oder Schweizer Wohnorten. Die Zahl der Gäste ist bei Balkanhoch­zeiten meist ebenso groß wie die Stimmung ausgelasse­n. Ob zu den Klängen von Jugorock, Turbofolk oder beim Trippelsch­ritt des Balkan-Reigentanz­es: Soziale Distanz ist bei den üppigen Familienge­lagen nie angesagt.

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