Das Virus als Urlaubssouvenir
Südosteuropa. Ob Gastarbeiter oder Touristen: Immer mehr Reisende kehren aus den Ferien in Serbien, Kroatien oder dem Kosovo mit einer Corona-Infektion zurück.
Belgrad. Nach der Party ist vor der nächsten Party: Kaum waren die acht unternehmungslustigen Jungtouristen aus ihrem Urlaub auf der kroatischen Insel Pag heimgekehrt, machten sie sich in ihrer Stuttgarter Heimat zu einer Geburtstagsfeier auf. Nicht bewusst waren sich die feierfreudigen Partylöwen des gefährlichen Urlaubssouvenirs, das sie sich in der kroatischen Partyhochburg Novalja eingefangen hatten – und nach der Heimkehr verbreiteten: Laut Angaben der Stadt haben die tatendurstigen Reiserückkehrer bei der Geburtstagsfeier mindestens 16 weitere Personen infiziert.
Ob Gastarbeiter auf Heimaturlaub oder Touristen am Meeresstrand: Immer mehr Reisende kehren mit einer Covid-19-Infektion aus den Ferien zurück. Ob Kosovo, Kroatien, Serbien oder Türkei: Auffällig groß ist dabei der Anteil der Rückkehrer aus Südosteuropa unter den Neuinfizierten.
Im April und Mai waren die Infektionszahlen in Südosteuropa noch auffällig niedrig. Doch nicht nur die Sorglosigkeit der sehr kommunikativen und eher an soziale Nähe als Distanz gewohnten Balkanbewohner, sondern auch heimgekehrte Gastarbeiter und die Segnungen des Massentourismus haben seither die Viruskrise in den meisten Staaten der Region spürbar verschärft.
Geschönte Zahlen, wenige Tests
Zwar geben die Coronastatistiken in den meisten Balkanstaaten wegen der geringen Zahl von Tests oder bewusst beschönigten Infektionszahlen das tatsächliche Ausmaß der Pandemie kaum oder nur bedingt wieder. Doch der Trend zeigt bei den Infektionszahlen auf dem Balkan seit Wochen klar nach oben. Zu spüren bekommen das auch die Heimatstaaten der oft viel zu sorglosen Reisenden. Ob in Deutschland, Österreich oder der Schweiz: Die Zahl der Fälle von in Südosteuropa infizierten Reiserückkehrern nimmt zu.
Laut dem jüngsten Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist der Anteil der Reiserückkehrer an den in Deutschland registrierten Neuinfektionen von zuvor 20 auf rund 30 Prozent gestiegen. In Österreich ist deren Anteil in den vergangenen Tagen gar auf über 50 Prozent geklettert. In der RKI-Liste der Länder, aus denen die Covid-19-Fälle importiert wurden, liegt der kleine Kosovo klar vorn – vor der Türkei, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Bosnien und Herzegowina. In Österreich sind es derzeit vor allem positiv getestete Urlaubsrückkehrer aus Kroatien, die die Infektionszahlen in die Höhe schnellen lassen.
Gelten unter den heimkehrenden Touristen vor allem junge Partygänger als Risikogruppe, sind es oft Familienfeste, die sich für Gastarbeiter auf Heimaturlaub als fataler Ansteckungsherd entpuppen.
Auch wegen der niedrigeren Kosten lassen Arbeitsemigranten ihre Hochzeiten lieber während der Sommerferien im Kosovo, in Kroatien oder Serbien steigen statt an ihren deutschen, österreichischen oder Schweizer Wohnorten. Die Zahl der Gäste ist bei Balkanhochzeiten meist ebenso groß wie die Stimmung ausgelassen. Ob zu den Klängen von Jugorock, Turbofolk oder beim Trippelschritt des Balkan-Reigentanzes: Soziale Distanz ist bei den üppigen Familiengelagen nie angesagt.