„Pinke Ursula Stenzel wird es nicht geben“
Interview. Der Spitzenkandidat der Neos für die Wien-Wahl, Christoph Wiederkehr, fordert flächendeckende Coronatests im Herbst an allen Schulen und Kindergärten. Eine Regierungsbeteiligung seiner Partei strebt er „nicht um jeden Preis“an.
Die Presse: Haben Sie bereits einen Coronatest gemacht? Christoph Wiederkehr: Noch nicht. Aber ab Montag testen wir unser gesamtes Wahlkampfteam regelmäßig auf Corona. Wir machen das selbst, denn bei der Stadt Wien dauert es (bei einem Verdachtsfall, Anm.) drei bis vier Tage, bis ein Testergebnis vorliegt. Das ist viel zu lang und vor allem an den Schulen ein Problem. Und es ist ein Versagen der Stadt Wien und eine Zumutung für Schüler, Eltern und Lehrer. Denn das Schlechteste ist, dass dann nur wegen eines Verdachts ganze Schulen und Kindergärten geschlossen werden.
Was, wenn Sie in der heiklen Phase des Wahlkampfs in Quarantäne müssten?
Das ist natürlich eine Horrorvorstellung. In einem Wahlkampf als Spitzenkandidat auszufallen wär extrem problematisch. Ich persönlich versuche daher immer, Abstand zu halten, auch bei Veranstaltungen. Für Schulen und Kindergärten brauchen wir für den Herbst aber eine klare Perspektive.
Welche Perspektive?
Ein Schnupfen darf noch nicht eine Schule oder einen Kindergarten schließen. Das ist inakzeptabel für die Betreuungssituation der Eltern.
Im Zweifelsfall muss die Gesundheit vorgehen.
Bei einem coronapositiven Fall. Der erste Schritt ist eine schnelle
Testung. Unsere Forderung ist ein Testergebnis innerhalb von acht Stunden. Falls es einen positiven Fall gibt, müssen Schüler sofort isoliert und das Umfeld getestet werden. Aber wegen eines Falls gleich die ganze Schule zu schließen ist nicht angemessen. Wir brauchen eine Betreuungsgarantie für die Eltern im Herbst.
Wollen Sie die gesamte Wiener Bevölkerung testen?
Nein. Man muss in kritischen Berufen gezielt testen. Also Pfleger, Ärzte, aber auch sehr viel an Schulen. Wir wollen zu Schulbeginn
einmal flächendeckend alle Schulen und Kindergärten testen. Damit hätten wir im Herbst die Sicherheit, dass Schulen wirklich geöffnet bleiben können.
Beate Meinl-Reisinger hat auf die Frage nach dem Wahlziel in Wien geantwortet: „Es ist völlig wurst ob die Neos sechs, acht oder zehn Prozent erreichen. Ist es Ihnen auch „wurst“?
Es ging ihr darum zu zeigen, dass es unser Anspruch ist, etwas zu bewegen. Natürlich: Je mehr Zustimmung wir bekommen, desto mehr können wir bewegen – im Kampf gegen Freunderlwirtschaft in dieser Stadt und im Kampf für bessere Schulen. Deshalb haben wir beschlossen, den Posten eines nicht amtsführenden Stadtrats nicht anzunehmen – sollte er uns nach der Wien-Wahl zustehen. Das ist eine Frage von Haltung und Anstand.
Wieso schießen Sie sich speziell auf nicht amtsführende Stadträte ein?
Das sind die teuersten Arbeitslosen Wiens. Sie kosten jährlich über eine Million Euro. Das ist unglaublich viel Geld dafür, dass sie keinerlei Aufgaben haben. Eine pinke Ursula Stenzel wird es mit uns aber nicht geben. Wir haben auch bei der letzten Wahl die ParteiAkademie-Förderung als zusätzliche Parteienförderung nicht angenommen. Wien ist ja europaweit die Stadt mit der höchsten Parteienförderung.
Sie wollen gestalten. Das kann man naturgemäß nur in der Regierung. Sie streben also eine pinke Regierungsbeteiligung an? Hier muss ich widersprechen. Man kann auch aus der Opposition heraus etwas bewegen.
Im Ernst?
Wir sind der Stachel im müden Fleisch der SPÖ und können als Opposition viel bewegen. Wir haben nicht nur Kontrollarbeit gemacht, sondern uns auch für bessere Bildung eingesetzt. Man kann auch in der Regierung gestalten. Das ist aber kein Selbstzweck.
Nochmals: Streben die Neos eine Regierungsbeteiligung an? Regieren ist kein Selbstzweck. Ich sehe, dass es den meisten in der Regierung nur um Posten geht . . .
. . . ein kurzes Ja oder Nein würde uns genügen.
Wir streben nicht um jeden Preis eine Regierungsbeteiligung an. Es geht darum, wo wir mehr gestalten können. Wir werden uns jedenfalls nicht verschließen, falls es Gespräche gibt. Der leichteste Partner für Koalitionsverhandlungen werden wir nicht sein.
Ein Neos-Kernthema könnte man mit „Mehr privat, weniger Staat“zusammenfassen. In der Coronakrise mit den staatlichen Rettungspaketen haben die Neos nicht gerade eine Themenkonjunktur.
Das sehe ich nicht so. Uns ist es wichtig, dass es einen Staat gibt auf den man sich verlassen kann. Wir haben in der Coronakrise vieles gesehen, wo man sich auf die Regierung nicht verlassen konnte. Coronaverordnungen, die nicht rechtsstaatlich waren, Personen, die bestraft wurden obwohl sie nichts Unrechtes getan haben. Mir geht es um einen effizienten Staat, auf den man sich verlassen kann. Vor allem im Bereich der Gesundheit.
Sie sind als Neos-Wien-Parteichef auf Beate Meinl-Reisinger gefolgt, die sehr hohe Bekanntheitswerte hat. Ihre Bekanntheitswerte sind laut Umfragen mager. Macht Sie das nervös? Nein. Beate Meinl-Reisinger hatte damals ähnliche Bekanntheitswerte wie ich. Ich sehe das also sehr gelassen. Wenn man nicht sehr lang im Amt ist oder keine Skandale hatte, dauert es etwas, bis man bekannt wird.