Latino-Rebellion gegen Trump
Streit. US-Präsident Donald Trump will entgegen den Usancen einen Nordamerikaner zum Chef der Interamerikanischen Entwicklungsbank machen. Dagegen regt sich im Süden Widerstand.
Buenos Aires. Während die Folgen des Coronavirus die Volkswirtschaften fast aller Staaten Lateinamerikas massiv belasten, tobt ein heftiger Streit über eine zentrale Institution für den Wiederaufbau nach der Pandemie. Wer soll die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) in den kommenden fünf Jahren leiten? Seit der Gründung des Geldhauses 1959 galt ein kontinentaler Kompromiss: Der Sitz der Bank ist in der US-Hauptstadt, aber der Direktor kommt von weiter südlich. Das könnte sich nun ändern.
Seit 2005 amtierte der Kolumbianer Luis Alberto Moreno. Nun brachten sich zwei neue Kandidaten in Stellung: Die vormalige Präsidentin Costa Ricas, Laura Chinchilla, und Gustavo Beliz,´ derzeit Argentiniens Staatssekretär für strategische Angelegenheiten. Vieles schien auf den 58-jährigen Juristen aus Buenos Aires hinauszulaufen, der nach einer journalistischen Karriere in den 1990er-Jahren in die Politik ein- und mehrfach wieder ausstieg, empört über Korruption in den Regierungen von Carlos Menem und Nestor´ Kirchner.
2004 musste Beliz´ unter Morddrohungen sein Land verlassen, nachdem er als Justizminister in einem TV-Interview den mächtigen operativen Chef des Geheimdienstes mit einem Foto geoutet hatte. Danach leitete er für die BID Projekte, die unter anderem die institutionelle Qualität in lateinamerikanischen Ländern verbessern sollten. Beliz´ ist auf dem Kontinent bekannt, geschätzt und gut vernetzt. Das gilt auch für Laura Chinchilla, die als Präsidentin den kleinen Musterstaat Costa Rica in die pazifische Allianz gebracht hatte, die freihandelsfreundliche dynamische Union von Mexiko, Kolumbien, Peru und Chile.
Trump hat eigene Pläne
Aber nun dürften beide Kandidaturen chancenlos sein. Denn USPräsident Donald Trump hat Mitte Juni beschlossen, entgegen allen bisherigen Usancen einen eigenen Kandidaten zu nominieren: Mauricio Claver-Carone, in Florida geborener und in Madrid aufgewachsener Sohn kubanischer Exilanten. Er ist Trumps Chefberater für lateinamerikanische Angelegenheiten und gilt als einer der härtesten Kritiker der linken Regierungen Kubas, Venezuelas und Nicaraguas.
Die Nominierung des Hardliners sorgte südlich des Rio Grande für gehöriges Grummeln, aber die akute Ebbe in den meisten Staatskassen bewirkte, dass sich viele Staaten hinter Trumps Kandidaten stellten, darunter die Schwergewichte Brasilien und Kolumbien. Washington hält allein 30 Prozent aller Anteile an der Bank, die 2018 Kredite im Gesamtwert von etwa 13,5 Milliarden US-Dollar in die Region vergab. Europäische Länder, darunter auch Österreich, halten etwa zehn Prozent.
Widerstand formierte sich zunächst in diskreter Form: Argentinien wollte nicht öffentlich gegen die USA rebellieren, solange es in New York mit seinen Privatgläubigern über eine Umschuldung verhandelte. Doch nachdem vorige Woche weißer Rauch über der Wall Street aufstieg, ging Buenos Aires an die Öffentlichkeit. Die Covidpandemie und die damit verbundenen Einschränkungen des Luftverkehrs machten eine Teilnahme seines Landes an der Wahl Mitte September unmöglich, twitterte
Außenminister Felipe Sola,´ dessen Land etwa elf Prozent der Anteile an der BID hält. Zuvor hatte bereits der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell – nach Absprache mit Buenos Aires – eine Verschiebung des Wahlaktes auf März 2021 vorgeschlagen. Also nach dem voraussichtlichen Ende der Pandemie. Und vor allem nach der US-Präsidentenwahl Anfang November.
Hoffen auf Biden
Das Kalkül ist, dass eine Niederlage Trumps die Kandidatur Claver-Carones beendet. Diesem Vorschlag hat sich auch Mexiko angeschlossen, das etwa sieben Prozent der Shares besitzt, auch die konservative Regierung in Chile unterstützt den Vorstoß, ebenso kamen positive Signale aus Peru. Mit ihren Stimmanteilen könnten die Rebellen die Wahl gegen den US-Kandidaten nicht gewinnen, aber sie könnten den Wahlvorgang unterbinden, wenn ihre Vertreter nicht anreisten. Denn die Statuten verlangen die persönliche Präsenz der Ländervertreter und ein Quorum von mindestens 75 Prozent. Das dürfte nicht zustande kommen, wenn die Rebellen alle daheimblieben wie Argentiniens Felipe Sola.´