„China hat keinen Freund mehr auf der Welt“
Konflikt. Amerikas Angriff auf einzelne chinesische Tech-Konzerne folge keinem klaren Plan, sagt der Schweizer Ökonom Stefan Legge. Aber er zwinge Europa, sich für eine Seite zu entscheiden. Schwer sei diese Wahl nur auf den ersten Blick.
Wien.
Ein paar Strafzölle mehr oder weniger interessieren eigentlich niemanden mehr. In ihrem ökonomischen Kräftemessen mit der Volksrepublik China fährt die US-Regierung unter Donald Trump längst schwereres Geschütz auf. Aus Sorge um die nationale Sicherheit wurde der chinesische Netzwerkausrüster Huawei nicht nur aus den USA verbannt, sondern ihm wurden auch die USPartner für den Rest seiner internationalen Geschäfte genommen. Im Streit um TikTok und WeChat wiederholt sich die Geschichte. Wieder ist Washington in Sorge um Amerikas Daten, wieder soll ein chinesischer Konkurrent verschwinden. Das sei allerdings „keine kohärente Strategie“, sagt Stefan Legge, Schweizer Außenhandelsökonom an der Universität St. Gallen im Gespräch mit der „Presse“. „Wenn es den USA wirklich um die Daten ginge, dann müssten sie auch Lenovo-Laptops verbieten.“Dennoch schaffe die Attacke auf die Onlineriesen aus Fernost mehr als nur gute Schlagzeilen und einen passenden Sündenbock für den US-Präsidentschaftswahlkampf.
Der Kontinent ist gespalten
„Der Konflikt zwischen den USA und China ist damit endgültig kein reiner Handelsstreit mehr, sondern ein ernsthafter geopolitischer Konflikt“, so Legge. Das ändert viel – auch für Europa. Ein Handelsverbot komme einem „unendlichen Zoll“gleich, erklärt der Ökonom. Entsprechend hoch wären die Folgekosten für betroffene Unternehmen und die globale Wirtschaft. Mehr noch: Die Ausdehnung des Konflikts macht es notwendig, dass sich China und die USA verstärkt um Allianzen in der Welt umsehen. Was das für Europa bedeuten könnte, sieht man etwa an der laufenden Mitteleuropa-Tour von USAußenminister Mike Pompeo, der am heutigen Freitag auch die heimische Staatsspitze treffen wird.
Auf den bisherigen Stationen war zumindest ökonomisch die Botschaft klar: Europa solle sich in der Huawei-Frage eindeutig auf die Seite der Amerikaner stellen und den chinesischen Konzern ebenfalls vom Aufbau der 5G-Netzwerke ausschließen. Gegenüber der EU selbst gab sich Washington indes deutlich konzilianter als noch vor wenigen Monaten. Die bestehenden Strafzölle bleiben zwar bestehen, die angedrohte Erhöhung wurde aber abgeblasen (siehe Artikel unten). „Die USA haben erkannt, dass sie die EU gegen China brauchen“, sagt Stefan Legge. Doch der Kontinent ist gespalten. Während die Briten nach einigem Zögern letztlich doch auf Amerikas Anti-HuaweiKurs einschwenkten, wollen sich viele EUMitgliedstaaten ihre Geschäfte mit der
Volksrepublik nicht auf bloßen Zuruf aus Washington selbst verderben. Auch Brüssel sucht noch nach Möglichkeiten, nicht in einen Konflikt hineingezogen zu werden, in dem es für Europa nichts zu gewinnen gibt.
„Europa muss sich entscheiden“
Ewig werde der Kontinent mit dieser Haltung aber nicht durchkommen, so die Einschätzung des Schweizer Experten. „Europa wird sich entscheiden müssen.“Auch ein Abwarten auf den nächsten US-Präsidenten sei sinnlos. In ihrem Anti-China-Kurs herrscht unter Republikanern und Demokraten selten Einigkeit. Einzelne Länder Europas stehen angesichts ihrer Handelsdaten damit vor einer schwierigen Situation. So ist das kleine Slowenien wirtschaftlich etwa viel stärker mit China verbunden als mit den USA. Daten aus 2019 zeigen etwa Importe im Wert von 2,3 Milliarden Dollar aus China nach Slowenien und Exporte nach China im
Wert von 300 Millionen Euro. Die USA lieferten nur Waren um 800 Millionen Dollar nach Slowenien und kauften um 700 Millionen Dollar. Für Österreich sei die Lage eindeutiger: Als Lieferanten sind China und die USA beinahe ebenbürtig, als Absatzmarkt für österreichische Produkte sind die Vereinigten Staaten mit einem Volumen von zehn Mrd. Euro doppelt so wichtig wie China.
„Es besteht kein Zweifel, dass sich Europa letztlich auf die Seite der USA schlagen wird“, ist Legge überzeugt. Über die reinen Handelsdaten hinaus bringe Amerika „ein ganzes Netz an Verbündeten“mit. „China hingegen hat keinen Freund mehr in der Welt.“Das Regime in Peking habe in den vergangenen Monaten und Jahren viel Reputation eingebüßt. Sowohl im Westen, der den Aufstieg zur Technologiesupermacht sehr skeptisch beäugt, als auch in vielen ärmeren Ländern, die „von der bisherigen Kooperation mit China enttäuscht“seien.