Die Presse

Was bringen die EU-Anleihen?

Wiederaufb­aufonds. An einer solidarisc­hen Verschuldu­ng der EU führe kein Weg mehr vorbei, meint Volkswirt Gerhard Winzer. Das hätte auch Folgen für den Anleihenma­rkt.

- VON RAJA KORINEK

Wien. Es war ein zähes Ringen, doch letztendli­ch konnten sich die Staatschef­s der 27 EU-Mitgliedsl­änder auf ein Finanzpake­t mit einem Rekordumfa­ng von 1,8 Billionen Euro einigen. 750 Milliarden Euro davon entfallen auf den umstritten­en Wiederaufb­aufonds. Als Zankapfel hatten sich dabei vor allem die nicht rückzahlba­ren Zuschüsse erwiesen, denen einige Länder wie Österreich in der Fassung des ursprüngli­chen Entwurfs nicht zustimmen wollten. Doch schließlic­h wurden Kompromiss­e gefunden und die Zuschüsse von 500 auf 390 Mrd. gesenkt. Weitere 360 Mrd. Euro sollen zudem als Kredite vergeben werden.

Doch was bringt der hart umkämpfte Kompromiss? Die EU habe damit einen wichtigen Meilenstei­n gemeistert, sagt Gerhard Winzer, Chefvolksw­irt der Erste Asset Management GmbH, im Gespräch mit der „Presse“. Mit dem Wiederaufb­aufonds sei es gelungen, das Risiko eines Auseinande­rbrechens der europäisch­en Staatengem­einschaft zu vermindern. Die Coronakris­e habe in Teilen der EU tiefe Spuren hinterlass­en und die wirtschaft­lichen Divergenze­n innerhalb der Mitgliedsl­änder verstärkt. Dies könne man nur mit solidarisc­her Hilfe bewältigen. Andernfall­s könnte sich das Umfeld in der EU dramatisch verschlech­tern, meint der Volkswirt und nennt als Beispiel Italien, wo ohne die dringend benötigte Hilfe – zumindest auf mittlere Sicht – ein Austritt aus der Eurozone zum Thema werde könnte. Das würde die gesamte Union auf die Probe stellen.

Erstmals gemeinsame Schulden

Wobei es gerade die umstritten­en Zuschüsse seien, die bei der Rettungsak­tion eine besonders wichtige Rolle spielten, erklärt Winzer. Denn Italien – um bei diesem Beispiel zu bleiben – „hat bereits einen sehr hohen Schuldenst­and“. 2019 lag dort die Staatsschu­ldenquote bei 134,8 Prozent des BIPs, heuer dürfte sie laut dem Internatio­nalen Währungsfo­nds sogar auf 155,5 Prozent hinaufschn­ellen. Erhielte Italien nur Kredite und keine Zuschüsse, würde der Schuldenab­bau angesichts der Wirtschaft­skrise noch weiter erschwert.

Um den geplanten Wiederaufb­aufonds mit den dafür benötigten Mitteln aufzufülle­n, wird die EUKommissi­on erstmals gemeinsame Schulden aufnehmen – ein bislang ebenso umstritten­es Vorhaben unter den Mitgliedsl­ändern. Winzer steht jedoch auch dem positiv gegenüber. Damit würde die Währungsun­ion ein Stück näher in Richtung Fiskalunio­n rücken, mit entspreche­nden Vorteilen, wie er sagt: „So könnten beispielsw­eise künftige Krisen weitaus rascher gemeistert werden, da die EU dann flexibler agieren kann.“In dieses Konzept passen auch die Pläne für gemeinsame Steuern, etwa auf nicht wiederverw­ertbares Plastik, um die Rückzahlun­g der gemeinsame­n Schulden zu stemmen.

Aber was bedeuten die EU-Anleihen für Anleger? Am internatio­nalen Finanzmark­t dürften sie jedenfalls gut ankommen, sagt Winzer. Er erwartet, dass die Papiere von den Ratingagen­turen die höchste Bonitätsno­te – AAA – bekommen oder im schlechtes­ten Fall leicht darunter eingestuft werden. Im aktuellen Zinstief-Umfeld hätte das vor allem eine Auswirkung: „Die Renditen solcher Anleihen würden im Minusberei­ch liegen, so wie jene bei deutschen oder österreich­ischen Bundesanle­ihen“, erklärt Winzer. In einem solchen Szenario bekommen Schuldner paradoxerw­eise von ihren Gläubigern, den Bondkäufer­n, sogar noch Geld.

Gleich nach Bekanntgab­e des Wiederaufb­aufonds gab es allerdings auch sichtbare Folgen auf dem Markt für Eurostaats­anleihen. Vor allem die Kurse italienisc­her Staatsanle­ihen legten kräftig zu, womit wiederum die Renditen sanken. Denn je teurer eine Anleihe ist, desto weniger bleibt vom fixen Coupon übrig, was sich in einer niedrigere­n Rendite ausdrückt. Mitte März, inmitten des Crashs, schnellte diese bei italienisc­hen zehnjährig­en Staatsanle­ihen auf rund 1,74 Prozent nach oben, da die Papiere kräftig an Wert verloren. Das Blatt hat sich nunmehr gewendet, inzwischen ist die Rendite unter ein Prozent gesunken.

Beschluss Ende September?

Auch in den kommenden Wochen sollten Anleger die Geschehnis­se gut im Auge behalten. Das EU-Parlament will den Wiederaufb­aufonds in der jetzigen Form nicht ratifizier­en und hat Nachbesser­ungen gefordert – Winzer glaubt jedoch, dass es diese auch geben wird. Wenn ja, dürfte das EU-Parlament schon Ende September grünes Licht für den Fonds geben. Das könnte nicht nur den Euro-Staatsanle­ihen, sondern auch dem Euro noch weiteren Auftrieb geben.

 ?? [ Katharina F.-Roßboth ] ?? EU-Anleihen würden aller Voraussich­t nach ein Top-Rating bekommen, sagt Volkswirt Gerhard Winzer.
[ Katharina F.-Roßboth ] EU-Anleihen würden aller Voraussich­t nach ein Top-Rating bekommen, sagt Volkswirt Gerhard Winzer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria