Die Presse

Neues aus der Welt der Oper und der Wiener Operette

Darf ein Jung-Impresario Nachbarn beflegeln? Es ist ja nur ein Spiel!

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Die Freunde des Musiktheat­ers im Gegengift nutzen stets den stillen August, um Pläne für den Herbst zu machen: nach New York, für eine bewährte Inszenieru­ng von Otto Schenk? Ein Weekend mit Verdi in London, in Paris mit Meyerbeer? Oder warten wir in virulenten Zeiten lieber bis zur Saisoneröf­fnung in Mailand?

Da kommt uns bei der Lektüre des „Kurier“die Erkenntnis: Richtig große Oper gibt es nur in Wien. Am Libretto eines Kunstwerks, das sogar „Lucrezia Borgia“übertreffe­n könnte, arbeiten soeben die besten Kräfte. Die Ouvertüre schuf der dynamisch-erfolgreic­he Direktor der Albertina. Besorgt riet Klaus Albrecht Schröder, eine Zeit lang auf Theater zu verzichten.

Mehr bedurfte es nicht. Der neue Wiener Staatsoper­ndirektor empörte sich in einem Gastbeitra­g über den unbequemen Nachbarn schräg hinter seinem Haus. So beginnen die tollsten Operetten: Erster Akt, 1. Szene. Liebliche Landschaft. Blitze überm Würstelsta­nd an der Hanuschgas­se. „Gegendonne­r“setzt ein. Bogdan Rosˇciˇc´ lässt einen Buffo auf den musealen Heldenteno­r los: „Hybris, Ahnungslos­igkeit und Perfidie!“Das Messer, wo ist das Messer? O, wie will er triumphier­en, über diesen „Meinungsmü­ll“.

Die Mozart-Fraktion im Freundeskr­eis staunte über Rosˇciˇc’´ Wortwahl. Darf er denn das? Hätte sich Gustav Mahler solcher Ausdrücke bedient? Die Wagner-Adoranten waren begeistert: Lasst die Wellen wogen! Das ist gut fürs Geschäft! Sie warten nun süchtig auf den nächsten Auftritt. Oper bedeutet nämlich pure Unmoral. Inzest, Vergewalti­gung und Landraub sind dort Kavaliersd­elikte, dumme Intrigen Pflicht. Alles Show!

Urteilen wir also milde über den Impresario. Er will doch nur spielen! Niemals würden wir verächtlic­h sagen: „Rosˇciˇc´ ist ja nur ein Journalist!“Warten wir auf die 2. Szene. Sirk-Ecke im Regen. Nörgler: „Und dann hat er jahrelang das Ö3-Gedudel ertragen.“Optimist: „Er is’ a junger Mensch. Und g’scheit. Hast seinen Aufsatz über Adorno gelesen? Kolossal! Vor allem die Einleitung. Echt originell.“

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

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