Warum sollen die Österreicher für Italiens Misswirtschaft blechen?
Die Probleme von Bella Italia sind nicht mit mehr Kapital zu lösen, sondern nur mit mehr Kapitalismus, Marktwirtschaft und Wettbewerb.
Umso dreister wirkt die jüngst vollzogene Gründung einer „Italexit“Partei, die Italien aus der EU und dem Euro lösen will.
Jetzt, wo seuchenhalber selbst der 40-minütige Flug von Wien nach Venedig vielen Zeitgenossen wie ein Hasardspiel erscheint, wird Italien naturgemäß noch mehr zu einer Art Sehnsuchtsort, je unerreichbarer, umso ersehnter. Es ist eine Zuneigung, die uns gelegentlich hindert, die ökonomischen Vorgänge in unserem Nachbarland emotionslos zu analysieren – Konsequenzen daraus zu ziehen. Die sind halt so, denkt man da, wie verhaltensauffällige, aber durchaus charmante Kinder.
Wie um das zu beweisen, wurde der italienische Finanzminister Roberto Gualtieri unlängst von lokalen Zeitungen mit der nonchalanten Formulierung zitiert, dass wegen der jüngst beschlossenen gewaltigen Hilfsgelder der EU die römische Regierung 2021 um zehn Milliarden Euro weniger an Steuern eintreiben muss, als ursprünglich vorgesehen.
Das werden Deutschlands oder Österreichs Steuerzahler mit Begeisterung aufnehmen: dass die Bürger jener Länder, die besonders hohe Abgabenquoten haben, nun Steuererleichterungen in Italien finanzieren dürfen, wo das Entrichten von Abgaben grundsätzlich eher flexibel gehandhabt wird. Gut passt in dieses Bild, dass man jüngst bei fünf italienischen Parlamentariern festgestellt hat, zusätzlich zur Nettomonatsgage von 13.000 Euro eine Coronahilfe von 600 Euro monatlich bezogen zu haben.
Doch nicht nur dafür braucht Rom Geld. So wurde kürzlich die seit Jahren nicht überlebensfähige Alitalia nicht liquidiert, was überfällig wäre, sondern verstaatlicht. Das heißt auch, dass sie ein paar Hundert Millionen vom Staat bekommen wird, um überhaupt liquide zu sein. Mit einem aparten Effekt: weil Geld bekanntlich kein Mascherl hat, kann man argumentieren, dass das Überleben der Alitalia letztlich von Berlin und Wien mitfinanziert wird, damit die italienische Pleite-Airline den ebenfalls mit Steuergeld geretteten Lufthansa und Austrian Konkurrenz machen kann. So haben wir uns sparsamen Umgang mit unserem Steuergeld immer vorgestellt. Und nein, mit der von Italien immer ins Treffen geführten Corona-Katastrophe hat das alles null zu tun. Aber Italien ist da wenigstens konsequent. Ex-Innenminister Matteo Salvini geht wieder mit der Idee herum, aus Italien mittels niedriger Flat Tax eine Steueroase innerhalb der EU zu machen.
Man kann das alles als Teil der lokalen Folklore sehen – so wie das Faktum, dass die durchschnittliche Lebensarbeitszeit in Italien bei 32 Jahren liegt, während sie in Österreich 37 und in Deutschland 39 Jahre beträgt – und zur Tagesordnung übergehen.
Man kann, aber man sollte nicht. Denn dass Italiens Wirtschaftskraft im Begriff ist, auf das Niveau der 1990er-Jahre abzusacken und trotz aller Hilfszahlungen der Staatsbankrott dauernd hinter der nächsten Ecke lauert, ist für die ganze EU bedrohlich – vor allen angesichts der enormen Verbindlichkeiten Italiens, nicht zuletzt über die sogenannten Target 2-Salden im Euro-System.
Umso dreister wirkt die jüngst vollzogene Gründung einer „Italexit“-Partei, die Italien nach britischem Vorbild aus der EU und damit dem Euro lösen will. Zwar liegt diese Gruppierung noch unter zehn Prozent, doch in Umfragen sprechen sich bis zu 50% der Bürger für einen EU-Austritt aus.
All das übersieht das Grundproblem des Landes: interessengetriebene Überregulierung, viel zu wenig unternehmerische Freiheit, lähmende Bürokratie, viel zu wenig Wettbewerb und Markt, informelle Kartelle und Monopole und alles erstickender Filz. In allen Indizes, die ökonomische Freiheit messen, liegt Italien meilenweit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen.
Italien braucht, entgegen den Behauptungen seiner politischen Eliten, nicht mehr Kapital (von der EU), sondern mehr Kapitalismus, Wettbewerb und Marktwirtschaft. Leider ist nicht einmal zu erwarten, dass Italiens Gläubiger das früher oder später erzwingen – denn auch bei denen weht der Zeitgeist gerade in die entgegengesetzte Richtung.