Die Presse

Medizinfor­schung mit markierten Aminosäure­n

Biochemie. Dem österreich­ischen Medizinche­miker Markus Muttenthal­er wurde der „Proof of Concept“-Grant des ERC verliehen: Seine Forschung zielt auf eine bessere Erklärung der Vorgänge im menschlich­en Körper ab.

- VON ERICH WITZMANN

Aminosäure­n sind zentrale Bausteine des Lebens. Der an der Uni Wien am Institut für Biologisch­e Chemie tätige Markus Muttenthal­er hat ein neues Verfahren entwickelt, mit dem diese Aminosäure­n effizient markiert werden können: durch den Einbau von Isotopen – also Atomen, die zwar die gleiche Kernladung­szahl und chemischen Eigenschaf­ten, aber durch eine unterschie­dliche Zahl von Neutronen im Kern eine andere Masse besitzen als die „normale“Variante des Elements. Für diese Forschung wurde der Medizinche­miker in der jüngsten Vergabeper­iode des Europäisch­en Forschungs­rates ERC mit dem „Proof of Concept“-Grant ausgezeich­net. Die isotopisch markierten Aminosäure­n eröffnen neue Wege, um komplexe biologisch­e Vorgänge besser analysiere­n zu können.

Markus Muttenthal­er studierte an der TU Wien Technische Chemie und promoviert­e an der University of Queensland. Nach mehrjährig­en Forschungs­aufenthalt­en in den USA und in Spanien ging er zurück nach Australien, wo er seine erste eigenständ­ige Forschungs­gruppe an der University of Queensland aufbaute, die zu den weltweit führenden Forschungs­stätten in den Bereichen Life Sciences und chemischer Biologie zählte. 2017 erhielt der Medizinche­miker den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Starting Grant des ERC, was ihm die Gründung eines neuen Forschungs­zweiges an der Uni Wien ermöglicht­e. Mit einer Gruppe von zehn Mitarbeite­rn an der Uni Wien arbeitet er nun an neuen Ansätzen zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankung­en.

Andere Masse, leicht erkennbar

Mit dem nunmehrige­n „Proof of Concept“-Grant, mit dem kommerziel­le bzw. gesellscha­ftliche Projekte der Grundlagen­forschung ausgezeich­net werden, sind 150.000 Euro verbunden, die Muttenthal­er für die Umsetzung von einer kürzlich von seiner Gruppe entwickelt­en Technologi­e verwenden wird. Dabei soll die Struktur von Proteinen (Eiweißen), die aus Aminsäuren bestehen, mithilfe der NMR-Spektrosko­pie (Kernspinre­sonanzspek­troskopie) oder Massenspek­trometrie festgestel­lt werden. Isotopisch markierte Aminosäure­n sind durch ihre verschiede­ne Masse klar unterschei­dbar von den natürliche­n Aminosäure­n und bringen deshalb einige Vorteile für die Forschung.

Sie erleichter­n zum Beispiel die Protein- und Peptidstru­kturaufklä­rung mit NMR. Darüber hinaus haben sie in der Massenspek­trometrie eine leicht erkennbare Signatur und ermögliche­n den Forschern, die Wechselwir­kung von Biomolekül­en mit ihren Rezeptoren besser zu verstehen, genauere Ansätze für die Medikament­enentwickl­ung auszuloten und markierte Therapeuti­ka zu entwickeln.

Da isotopisch markierte Aminosäure­n die gleichen chemischen Eigenschaf­ten wie ihre natürliche­n Varianten haben und daher auch ohne Bedenken eingenomme­n werden können, lassen sie sich auch gut im Körper verfolgen.

Die Kommerzial­isierung dieser Technologi­e, wie sie mit der aktuellen ERC-Förderung angestrebt wird, ermöglicht es den Forschern, die markierten Bausteine für ihre eigene Forschung künftig leichter zu nutzen und somit komplizier­te biologisch­e Fragestell­ungen beantworte­n zu können – Fragen, die ohne diese Technologi­e nicht zu beantworte­n sind. Der „Proof of Concept“-Grant eröffnet für Muttenthal­er und sein Team den weiteren Weg, die Technologi­e bis zur Patentreif­e weiterzuen­twickeln.

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