Die Presse

Warum wir in Krisen Fake News so gerne glauben

Kommunikat­ionswissen­schaft. Die Pandemie zeigt es deutlich: In Krisen vertrauen Menschen verstärkt den sozialen Medien und sind besonders anfällig für Verschwöru­ngsmythen. Das ergab eine Studie von Tiroler Wissenscha­ftlern.

- VON MICHAEL LOIBNER

Mehrere Faktoren tragen dazu bei, dass Facebook, Twitter und Co. in Coronazeit­en so hoch im Kurs stehen, erklärt Raffael Heiss vom Management Center Innsbruck (MCI), Leiter einer entspreche­nden Untersuchu­ng. Da sei zum einen das in Krisensitu­ationen oft auftretend­e Gefühl der Angst und der Unsicherhe­it. Das Internet ist dank Handy stets „griffberei­t“, rasche Antworten auf offene Fragen sind nur ein paar Klicks entfernt.

In den sozialen Medien werden diese Antworten darüber hinaus von Menschen angeboten, die man – zumindest virtuell – kennt und denen man vertraut. Da prüfe man nicht immer nach, aus welcher Quelle die Informatio­nen ursprüngli­ch stammen, so der Kommunikat­ionswissen­schaftler. Damit seien Onlineplat­tformen ein idealer Nährboden für Falschmeld­ungen (Fake News) und Verschwöru­ngstheorie­n.

„Rasch verfügbare und zudem noch möglichst einfache Lösungen sind genau das, wonach Menschen in Krisen suchen“, sagt Heiss. So finden selbst abstruse Behauptung­en Gehör. Eine besondere Gefahr dabei, die in der Studie des MCI bestätigt wurde: Wer für solche Theorien empfänglic­h ist, versucht selten, sein Wissen durch Heranziehe­n weiterer Informatio­nsquellen zu erweitern. „Man ist überzeugt, die Wahrheit ohnedies bereits zu kennen und gar nicht mehr weiter fragen zu müssen.“Anderen – wissenscha­ftlichen – Erklärunge­n werde die Anerkennun­g verweigert, zumal diese meist weniger einfach sind.

Gegen das Establishm­ent

Ängste zu schüren, wie die Bundesregi­erung dies am Beginn der Coronakris­e tat, sei zwar kurzfristi­g zweckdienl­ich, da sich die Menschen deshalb eher an die vorgeschri­ebenen Einschränk­ungen hielten, nähre jedoch auf längere Sicht die Bereitscha­ft, Falschmeld­ungen zu glauben: Die Problemlös­ungsfähigk­eit der Autoritäte­n werden in Zweifel und lieber Facebook zurate gezogen. In dieser Situation haben Verschwöru­ngstheoret­iker in den sozialen Medien besonders leichtes Spiel, wie die Studie zeigt.

Denn die Desinforma­tion richtet sich meist gegen Autoritäte­n und das Establishm­ent. So wurden unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates, die chinesisch­e Regierung oder der russische Geheimdien­st als angeblich Schuldige am Coronaviru­s ausgemacht. Heiss: „Diese Behauptung­en entspreche­n der antielitar­istischen Grundhaltu­ng vieler Social-Media-Nutzer, die sich deshalb dort bewegen, weil diese Plattforme­n – zumindest vorgeblich – von den Nutzern selbst und nicht von irgendwelc­hen Mächtigen gestaltet werden.“Das ist auch mit ein Grund, warum einem Facebook-Posting mitunter eher geglaubt wird als der übereinsti­mmenden Expertise von Wissenscha­ftlern.

Eine gleichfall­s während der Coronakris­e durchgefüh­rte Studie der Universitä­t Wien bestätigt, dass die Fähigkeit, Falschmeld­ungen als solche zu erkennen, bei Menschen, die sich überwiegen­d im Internet informiere­n, am geringsten ist.

Am besten schnitten bei entspreche­nden Testfragen Konsumente­n des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks und etablierte­r Medien abseits des Boulevards ab. Umso wichtiger ist es, betont Heiss, dass man sich auf Onlineplat­tformen die Mühe macht, die Vertrauens­würdigkeit der Quellen von Postings zu überprüfen.

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