Warum wir in Krisen Fake News so gerne glauben
Kommunikationswissenschaft. Die Pandemie zeigt es deutlich: In Krisen vertrauen Menschen verstärkt den sozialen Medien und sind besonders anfällig für Verschwörungsmythen. Das ergab eine Studie von Tiroler Wissenschaftlern.
Mehrere Faktoren tragen dazu bei, dass Facebook, Twitter und Co. in Coronazeiten so hoch im Kurs stehen, erklärt Raffael Heiss vom Management Center Innsbruck (MCI), Leiter einer entsprechenden Untersuchung. Da sei zum einen das in Krisensituationen oft auftretende Gefühl der Angst und der Unsicherheit. Das Internet ist dank Handy stets „griffbereit“, rasche Antworten auf offene Fragen sind nur ein paar Klicks entfernt.
In den sozialen Medien werden diese Antworten darüber hinaus von Menschen angeboten, die man – zumindest virtuell – kennt und denen man vertraut. Da prüfe man nicht immer nach, aus welcher Quelle die Informationen ursprünglich stammen, so der Kommunikationswissenschaftler. Damit seien Onlineplattformen ein idealer Nährboden für Falschmeldungen (Fake News) und Verschwörungstheorien.
„Rasch verfügbare und zudem noch möglichst einfache Lösungen sind genau das, wonach Menschen in Krisen suchen“, sagt Heiss. So finden selbst abstruse Behauptungen Gehör. Eine besondere Gefahr dabei, die in der Studie des MCI bestätigt wurde: Wer für solche Theorien empfänglich ist, versucht selten, sein Wissen durch Heranziehen weiterer Informationsquellen zu erweitern. „Man ist überzeugt, die Wahrheit ohnedies bereits zu kennen und gar nicht mehr weiter fragen zu müssen.“Anderen – wissenschaftlichen – Erklärungen werde die Anerkennung verweigert, zumal diese meist weniger einfach sind.
Gegen das Establishment
Ängste zu schüren, wie die Bundesregierung dies am Beginn der Coronakrise tat, sei zwar kurzfristig zweckdienlich, da sich die Menschen deshalb eher an die vorgeschriebenen Einschränkungen hielten, nähre jedoch auf längere Sicht die Bereitschaft, Falschmeldungen zu glauben: Die Problemlösungsfähigkeit der Autoritäten werden in Zweifel und lieber Facebook zurate gezogen. In dieser Situation haben Verschwörungstheoretiker in den sozialen Medien besonders leichtes Spiel, wie die Studie zeigt.
Denn die Desinformation richtet sich meist gegen Autoritäten und das Establishment. So wurden unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates, die chinesische Regierung oder der russische Geheimdienst als angeblich Schuldige am Coronavirus ausgemacht. Heiss: „Diese Behauptungen entsprechen der antielitaristischen Grundhaltung vieler Social-Media-Nutzer, die sich deshalb dort bewegen, weil diese Plattformen – zumindest vorgeblich – von den Nutzern selbst und nicht von irgendwelchen Mächtigen gestaltet werden.“Das ist auch mit ein Grund, warum einem Facebook-Posting mitunter eher geglaubt wird als der übereinstimmenden Expertise von Wissenschaftlern.
Eine gleichfalls während der Coronakrise durchgeführte Studie der Universität Wien bestätigt, dass die Fähigkeit, Falschmeldungen als solche zu erkennen, bei Menschen, die sich überwiegend im Internet informieren, am geringsten ist.
Am besten schnitten bei entsprechenden Testfragen Konsumenten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und etablierter Medien abseits des Boulevards ab. Umso wichtiger ist es, betont Heiss, dass man sich auf Onlineplattformen die Mühe macht, die Vertrauenswürdigkeit der Quellen von Postings zu überprüfen.