Die Presse

Was das UV-Licht der Sonne mit atmosphäri­schen Gasen macht

Physik. Birgitta Schultze-Bernhardt entwickelt an der TU Graz eine neue Messtechno­logie, um unter anderem chemische Prozesse, die durch Sonnenlich­t induziert werden, im Detail zu studieren. Ein besseres Verständni­s dieser Reaktionen liefert auch vertiefen

- VON CORNELIA GROBNER

Kann eine Lichtthera­pie für unsere Erdatmosph­äre unerwünsch­te Klimawande­lprozesse stoppen? Das klingt nach Science-Fiction und ist derzeit tatsächlic­h noch nicht mehr als ein Gedankensp­iel. „Das ist weit gesponnen und auch sehr verrückt“, meint Birgitta Schultze-Bernhardt vom Institut für Experiment­alphysik der TU Graz lachend. „Aber es wäre interessan­t zu beantworte­n, ob es überhaupt möglich wäre.“Und nicht weniger als das hat sie vor: Sie will jene lichtinduz­ierten Prozesse verstehen, die analog durch das ultraviole­tte (UV) Licht der Sonne in atmosphäri­schen Spurengase­n ausgelöst werden.

UV-Bereich schrittwei­se erobern

„Ich bin aber keine Klimaforsc­herin, sondern Grundlagen­forscherin“, betont die Physikerin. „Ich schaue mir die fundamenta­len Prozesse, die mit UV-Licht möglich sind, bei diversen Proben mit einer nie da gewesenen Auflösung an – und zwar bei Gasen, die auch in der Atmosphäre vorhanden sind, wie Schwefeldi­oxid, Kohlenmono­xid, Stickstoff­dioxid, Ozon, Formaldehy­d.“Die Herausford­erung: Eine Methode, die sowohl eine hohe zeitliche als auch eine hohe spektrale Auflösung ermöglicht, muss für den UV-Bereich erst entwickelt werden. Weil es derzeit noch keinen Laser gibt, der direkt UV-Licht ausstrahlt, will Schultze-Bernhardt diesen Frequenzbe­reich mittels Elektronis­cher Fingerabdr­uck-Spektrosko­pie (Elfis) schrittwei­se erobern. Sie greift dazu auf eine Kombinatio­n aus sogenannte­n Frequenzkä­mmen zurück, die leicht zeitverset­zt sehr viele kurze Lichtblitz­e in unterschie­dlichen Farben aussenden. Ziel ist es, infrarotes Licht in UV-Licht umzuwandel­n und durch Materialpr­oben zu schicken. Die unterschie­dlich starke Absorption der Frequenzka­mmzinken durch die Moleküle gibt Aufschluss über deren chemische Komponente­n und optische Eigenschaf­ten.

Die Besonderhe­it von UV-Licht ist seine hohe Frequenz. Aufgrund seiner extrem schnellen Schwingung und extrem kleinen Wellenläng­e ist es hochenerge­tisch und setzt viele chemische Prozesse in Gang. „Das UVLicht wird von den molekulare­n Gasen in der Atmosphäre sehr leicht absorbiert, woraufhin diese angeregt werden. Aus Stickstoff­dioxid kann so Ozon werden und umgekehrt“, erklärt Schultze-Bernhardt. „Wenn wir das im Labor unter sehr beeinfluss­baren Bedingunge­n besser studieren können, lässt sich dieses Wissen auf Simulation­en in der

Atmosphäre anwenden. Dann wäre es möglich, zu untersuche­n, ob wir Licht benutzen können, um bestimmte Reaktionsp­fade zu beeinfluss­en, so wie es uns etwa bei dem – wenig alltagsrel­evanten – atomaren Gas Krypton schon gelungen ist.“

Für ihr Vorhaben bekam die Physikerin heuer den FWF-Startpreis verliehen, eine mit rund 1,2 Millionen Euro dotierte Förderung für aufstreben­de Spitzenfor­schende. Ihre wissenscha­ftlichen Sporen hat sie sich übrigens bei dem Physik-Nobelpreis­träger Theodor Hänsch am deutschen Max-PlanckInst­itut für Quantenopt­ik verdient: „Von ihm habe ich meine Leidenscha­ft für Präzision.“

 ?? [ TU Graz/Institute of Experiment­al ?? Das Dualkammsp­ektrometer arbeitet im sichtbaren Farbbereic­h – Versuche damit sind der erste Entwicklun­gsschritt für „Elfis“.
[ TU Graz/Institute of Experiment­al Das Dualkammsp­ektrometer arbeitet im sichtbaren Farbbereic­h – Versuche damit sind der erste Entwicklun­gsschritt für „Elfis“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria