Die Presse

Ein Becken voll flüssigem Metall für saubere Energie

Metallurgi­e. Wasserstof­f aus Methan herstellen, völlig emissionsf­rei, und als Nebenprodu­kt hochreinen Kohlenstof­f gewinnen – dieses Kunststück ist Forschende­n der Montanuni Leoben gelungen. Alles, was es dafür braucht, ist ein über 1000 Grad heißes Metall

- VON WOLFGANG DÄUBLE

Wasserstof­f ist einer der Hoffnungst­räger für eine klimafreun­dliche, saubere Zukunft. Das kleinste und leichteste Element des Periodensy­stems ist als H2-Molekül ein hervorrage­nder Energieträ­ger, von allen Brenn- und Treibstoff­en hat es die höchste Energiedic­hte. Bei der Reaktion mit Sauerstoff wird sie frei, übrig bleibt lediglich reines Wasser. Doch abgesehen von der aufwendige­n Lagerung (Wasserstof­f braucht hohen Druck oder sehr tiefe Temperatur­en, um flüssig zu werden) ist vor allem die Herstellun­g bisher problemati­sch: Wasserstof­f wird entweder durch die Dampfrefor­mierung aus Erdgas gewonnen, bei der aber pro Tonne H2 rund zehn Tonnen CO2 anfallen – was seine Klimabilan­z ruiniert. Oder man stellt ihn durch die Elektrolys­e her, bei der durch elektrisch­en Strom Wasser in seine Elemente gespalten wird – was enorme Mengen an Energie benötigt.

Eine energetisc­h wesentlich günstigere und obendrein emissionsf­reie Alternativ­e hat eine Arbeitsgru­ppe um Peter Moser an der Montanuniv­ersität Leoben entwickelt: Die Forscher erzeugen Wasserstof­f aus Methan, indem sie das Gas in eine spezielle Mischung aus flüssigem Kupfer und Nickel leiten, die zwischen 1000 und 1200 Grad Celsius heiß ist. „Durch dieses Metallbad wird das Methangas unter Luftabschl­uss von unten durchgelei­tet, auf dem Weg nach oben zersetzt es sich in Wasserstof­f und Kohlenstof­f. Der Wasserstof­f blubbert dann oben hinaus, der Kohlenstof­f legt sich in Flocken auf die Schmelze“, beschreibt Moser das als Pyrolyse bezeichnet­e Verfahren.

Metallschm­elze beim Endverbrau­cher

Obwohl bei dem Verfahren hohe Temperatur­en benötigt werden, ist der Energieauf­wand noch immer vier bis fünf Mal niedriger als bei der Elektrolys­e, versichert Moser. Und da im Gegensatz zur Dampfrefor­mierung kein CO2 entsteht, weil der bei der Pyrolyse des Methans frei werdende Kohlenstof­f ohne Luft nicht oxidieren kann, ist die Methode prinzipiel­l auch emissionsf­rei – vorausgese­tzt, man verwendet für das Aufheizen des Metallbads erneuerbar­e Energien.

Mit der bestehende­n Infrastruk­tur ließe sich das Verfahren auch vergleichs­weise einfach umsetzen, ergänzt der Bergbauing­enieur, schließlic­h gibt es ein europaweit­es, intaktes Erdgasnetz. „Die Pyrolysean­lagen lassen sich relativ klein dimensioni­eren, mit einem Becken von ein, zwei Kubikmeter­n können bereits mittlere Industrieb­etriebe mit Wasserstof­f versorgt werden. Das Erdgas würde also über die bestehende­n Leitungen bis zum Endverbrau­cher transporti­ert, und vor Ort würde dann der Wasserstof­f produziert werden. Man müsste am gesamten Energiever­sorgungsne­tz nicht viel ändern.“

Neben der Wasserstof­fproduktio­n sei der Kohlenstof­f, der zunächst nur als Nebenprodu­kt angefallen sei, immer stärker in den Fokus geraten, so Moser. „Der Kohlenstof­f lässt sich auf unterschie­dliche Weise verwenden: etwa als nanoporöse­s Material, mit dem wiederum Wasserstof­f gespeicher­t werden kann, etwa in einem Autotank. Aber auch für andere Hightech-Anwendunge­n lässt sich der Kohlenstof­f nutzen, weil er extrem rein ist. Und durch die Gestaltung des Pyrolysepr­ozesses können wir seine Eigenschaf­ten steuern.“

So ließe sich der Kohlenstof­f auch als Graphen oder Graphit gewinnen – wertvolle industriel­le Rohstoffe für den Leichtbau sowie für die Herstellun­g von Computerch­ips oder Batterien. Selbst in der Landwirtsc­haft oder der Bauindustr­ie sieht Moser Verwendung für den Kohlenstof­f: Als poröses Material soll er Wasser und Dünger im Boden halten und so den Pflanzenan­bau umweltfreu­ndlicher machen, in Beton verbessert er bauphysika­lische Eigenschaf­ten.

Die Industrie zeigt jedenfalls Interesse an der Methode: Unter anderem ist der Stahlkonze­rn Voestalpin­e Kooperatio­nspartner des Forschungs­projekts. Bereits nächstes Jahr soll eine Pilotanlag­e gebaut werden, bis 2030 will Moser dann in industriel­lem Maßstab Wasserstof­f produziere­n.

Als Konkurrenz zur Elektrolys­e sieht Moser das Verfahren aber nicht – eher als Zwischenlö­sung, bis Ökostrom in unbegrenzt­er Menge vorhanden ist. Bis dahin arbeitet seine Gruppe an weiteren Verbesseru­ngen: Mit neuen Metallmisc­hungen soll die Pyrolyse auch bei unter 200 Grad funktionie­ren.

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