Was ich lese
MICHAEL LINSBAUER
künstlerischer Leiter des Musikfestivals „Haydnregion NÖ“[ Foto: Niklas Schnaubelt ]
Normalerweise verbringe ich im Sommer beinahe jeden Abend bei Konzerten. Corona-bedingt ist jetzt natürlich alles anders. Eine wenigstens für mich persönlich positive Auswirkung der Krise ist, plötzlich über freie Abende zu verfügen, die ich mit großer Freude zum Lesen nutze.
Als Kurator eines Haydn-Musikfestivals hat mich aktuell Anria Reichers
Krimi-Debüt Das Haydn-Pentagramm
(Aufbau Verlag) sehr begeistert, weil es musikhistorisches Wissen, kriminalistische Spannung und erzählerisches Können unterhaltsam und kenntnisreich miteinander verbindet.
Ein ähnlich spannendes Leseerlebnis bot auch Bernhard Herrmans und
Robert Streibels dokumentarischer Roman Der Wein des Vergessens (Residenz Verlag). Darüber hinaus hat mich das Buch aber aufgrund seiner historischen Faktizität tief berührt: Der jüdische Geschäftsmann Paul Robitschek ist 1938 nicht nur Besitzer der Riede Sandgrube – eines der berühmtesten Weingüter in der Wachau – sondern ebenfalls in einer glamourösen Liebesbeziehung zum jungen Baron August Rieger. Es folgen Leid, Unrecht, Denunziationen und Arisierung . . .
Ein schwungvoller und leichtfüßiger Ausgleich zu diesem dramatischen Werk war Evelyn Waughs englischer Gesellschaftsroman Vile Bodies (auf Deutsch:
Lust und Laster), eine brillante und schwarz-humorige Satire auf die gedanken- und gefühllose High Society im England des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, die hier und heute genauso stattfinden könnte wie anno dazumal.